«Man weiss nie, was auf einen zukommt»

Um ein Wasserkraftwerk instand zu halten, braucht es viel Können und Erfahrung. Gearbeitet wird sowohl hoch oben als auch unter Tage, mit schwerem Gerät, Strom und unvorstellbaren Wassermassen. Sicherheitsingenieurin Andrea Ackermann sorgt dafür, dass dabei die Arbeitssicherheit immer höchste Priorität hat. Wir haben sie auf einer Inspektion begleitet.

9:00 Uhr, Wimmis

Andrea Ackermann biegt von der Hauptstrasse ab, vorbei am Unterwerk Wimmis, und parkt vor dem Werkhof. Das Gelände teilt sich die BKW Energy partnerschaftlich mit der Arnold AG und der SBB. Wir haben einen Termin mit Hans-Ulrich Sieber, Leiter der Kraftwerksgruppe KAS. Als Sicherheitsingenieurin der BKW besucht Andrea heute einen Arbeitsplatz der besonderen Art: einen Aquädukt.

9:20 Uhr, Parkplatz Werkhof

Auf dem Parkplatz wird klar, warum sie mit dem Kombi kommt – der Kofferraum ist voll. Zum Vorschein kommen: Andreas PSA, die Persönliche Schutzausrüstung mit Jacke, Helm, Schutzbrille und Sicherheitsschuhen, ausserdem noch Stirnlampen, extra Warnwesten und Helme für uns sowie ein schwerer Rucksack. «Ich habe einfach mal alles mitgebracht», sagt Andrea, «man weiss ja nie, was auf einen zukommt.» Los geht’s. Unser Ziel: der Kanderaquädukt. Dort wird das Wasser der Simme in einem geschlossenen Kanal über die Kander geleitet.

 

Andrea setzt den Schutzhelm auf
Andrea packt aus - sie hat für alle Fälle die komplette Schutzausrüstung dabei. Fotos: Severin Jakob

10:00 Uhr, Aquädukt Nordeingang

Wir klettern erst einen Steig, dann eine Leiter hinunter – Andrea prüft, ob sie wackelt – und stehen genau dort, wo normalerweise das Wasser durch den Stollen über die Kander rauscht. Vor zwei Tagen wurde der Zufluss an der Fassung der Simme ausser Betrieb genommen und gesichert. Hans-Ueli zeigt uns die umfangreiche Checkliste 202 «Ausser- und Wiederinbetriebnahme Wimmisstollen», in der jeder Arbeitsschritt genau dokumentiert ist. Wir schalten unsere Stirnlampen an und tauchen in die Dunkelheit ein. 

zwei Arbeiter in einem Stollen mit Schutzausrüstung
Im Wimmisstollen werden Dichtungen erneuert – aus Sicherheitsgründen immer zu zweit.

10:30 Uhr, im Stollen

Im Schein der Lampen leuchten Reflektoren auf: Zwei Männer sind dabei, die Verbindung zwischen den Betonelementen im Aquädukt neu abzudichten. Dass sie zu zweit sind, ist kein Zufall. «Das ist Vorschrift im Stollen», sagt Hans-Ueli. Die Dichtung, eine Art überdimensionaler Veloschlauch mit Ventil, wird in die Rille eingefügt und später mit Pressluft aufgepumpt, bis alles dicht ist. Andrea spricht die Arbeiter an: «Alles gut bei euch? Fühlt ihr euch mit dieser Arbeit wohl?» «Alles gut», antworten die beiden. «Ich spreche gerne direkt mit den Leuten», sagt Andrea. «Vor Ort kann ich mögliche Gefahrensituationen am besten erkennen.» Irgendwo im Dunkeln vor uns hören wir Geräusche. Das ist der Zweiertrupp, der von der anderen Seite her arbeitet. Insgesamt ist der Stollen rund 2,5 Kilometer lang. Drinnen gilt die Weisung «Arbeitssicherheit in Stollen». Das heisst, die Mitarbeitenden führen ein Multimessgerät mit, das die Atemluft kontrolliert, und einen sogenannten Sauerstoffselbstretter für den Fall, dass die Atemluft ausgeht. Wir kehren um und fahren zum anderen Ende des Aquädukts.

Zwei Frauen prüfen einen Erste-Hilfe-Kasten
Andrea und ihre Sicherheitsassistentin Eveline Altwegg prüfen, ob der Erste-Hilfe-Kasten noch komplett ist.

12:15 Uhr, Aquädukt Südseite

Von hier ist die ganze Pracht des Bauwerks zu sehen. 1908 errichtet, überspannt der über 300 Meter lange Aquädukt die Kander in mehreren eleganten Bögen – der grösste 28 Meter breit. Andrea packt den Rucksack aus, drin ist ihre PSAgA, die Persönliche Sicherheitsausrüstung gegen Absturz. Hinter Hans-Ueli hakt sie sich am Sicherheitsseil ein und läuft los – nichts für Leute mit Höhenangst.

Aquädukt über die Kander
Angeseilt wagen sich Hans-Ueli und Andrea auf den Kander-Aquädukt. Die Aussicht von da oben ist atemberaubend.

13:45 Uhr, Simmefassung

Die Simme stürzt mit Getöse über das Wehr. Nebenan beim Stolleneingang fliesst nichts mehr: Massive Pfosten aus Metall, die Wehrnadeln, versperren den Zufluss. Eine zweite hydraulische Sperre bietet zusätzlichen Schutz. Auch hier an der Einlaufschütze zum Stollen wird gearbeitet. Solange kein Wasser durch den Stollen fliesst, kann kein Strom erzeugt werden. Deshalb werden Wartungs- und Reparaturarbeiten aufeinander abgestimmt, um die Abstellzeiten möglichst kurz zu halten. Andrea steigt in den Grundablass hinunter und überprüft auch hier die Arbeitssicherheit. Im kleinen Steuerungsraum der Wehranlage lässt sie sich den Ordner mit der Dokumentation zeigen. Diese wird im Falle eines Arbeitsunfalls wichtig, denn so kann Hans-Ueli nachweisen, dass alle notwendigen Schulungen und Vorkehrungen in Bezug auf die Arbeitssicherheit getroffen worden sind.

15:50 Uhr, zurück nach Bern

Wir fahren zurück nach Bern und schleppen die Ausrüstung ins Büro. Auf Andrea wartet jetzt noch Papierkram: Protokolle schreiben und, falls nötig, gemeinsam mit Hans-Ueli weitere Massnahmen zur Verbesserung der Arbeitssicherheit besprechen. Denn Sicherheit hat bei der BKW oberste Priorität.

Frau vor Wasserfall
Solange der Stollen blockiert ist, braust das Wasser auf direktem Weg über das Wehr

Beitrag aus Inmotion

Dieser Beitrag stammt aus «Inmotion», dem Magazin für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BKW Gruppe. Die ganze Ausgabe als PDF finden Sie hier.

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Kommentare (1)

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  • Liebe Andrea Ackermann,
    Ein sehr lebhafter und praxisnaher Einblick in Ihre spannende und gesetzlich geforderte Tätigkeit, als VertreterInn der Arbeissicherheit und des Gesundheitsschutzes, in diesem nicht zu unterschätzenden Bereich.
    Danke für diesen Bildunterstützten, fundierten und angenehm lesbaren Beitrag.
    Mit freundlichen Grüssen
    Thomas Moser
    Spezialist ASGS
    Head of HSSE bei Idorsia Pharmaceuticals Ltd.