Schmilzt mit dem vielen Schnee auch der Strompreis?

Die Schneemenge in den Bergen hat nicht nur einen Einfluss auf die Laune der Wintersportler, sondern auch auf die der Stromhändler. Welche Rolle der schneereiche Winter auf die Schweizer Stromproduktion hat, beleuchtet dieser Blog.

Zum Jahresübergang 2020/2021 befand sich die Schweiz im Schneetaumel. Wie die Grafik des Schnee- und Lawinenforschungsinstituts per Anfang Februar zeigte, so belief sich selbst der niedrigste Schneestand im Schweizer Alpenraum auf mehr als 100% verglichen mit dem langjährigen Mittel. In Regionen wie Wallis und Graubünden belief sich die Schneehöhe gar auf mehr als 170% im Vergleich mit dem langjährigen Mittel.

Schnee ist aber in erster Linie einfach gefrorenes Wasser, welches erst mit der Schneeschmelze in Strom umgewandelt werden kann. Damit hat die massive Menge an Schnee nicht nur einen Einfluss auf die Laune der Schneesportler, sondern auch auf die Schweizer Energiebilanz sowie auch auf den hiesigen Strompreis.

Grafik: WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF
Grafik: WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF

Wie aus dem zweiten Chart ersichtlich ist, so steht die aktuelle Schneemenge ausgedrückt in Energie (GWh) deutlich über der Norm und deutlich über dem Stand von 2020.

Wir übersetzen den potentiellen Einfluss des Schnees auf den Schweizer Strompreis mit dem Swiss Modell, einem von BKW Handel Analyse entwickelten und betriebenen Strompreisprognosemodell. Dieses Modell schätzt die Schweizer Preise auf Basis einer Pumpspeicheroptimierung in der Schweiz und einer Optimierung der Stromflüsse zwischen der Schweiz und ihrer Nachbarländer ab. Diese Grenzflüsse wiederum leiten sich aus den Preisniveaus der umliegenden Märkte ab.

Die folgende Tabelle zeigt, wie die aktuelle Schneemenge verglichen mit einem Schneereservoir auf Norm die Schweizer Preise ab April unter Druck bringt. So ist der Preiseffekt im April mit rund -1% noch nicht sonderlich hoch, je weiter wir aber ins Jahr 2021 kommen, desto mehr schmilzt nicht nur der Schnee, sondern auch der Schweizer Preis. Demnach könnte der überdurchschnittliche Schnee den Schweizer Base im Juni und Juli um bis zu 4% – oder knapp 2€/MWh – senken gegenüber einer normalen Schneemenge.

Schneemenge ausgedrückt in Energie

Zusätzlich aber kann unser Modell auch die Preiseffekte in einem «Tiefschneeszenario» oder in einem «Hochschneeszenario» abschätzen (siehe Tabelle). Im Szenario mit wenig Schnee (Tiefschneeszenario) könnten die Preise für die Monate ab April um 5% bis 16% steigen, entsprechend einem Anstieg um rund 7€/MWh im Juni. Wenn es aber noch mehr schneien würde und wir in ein «Hochschneeszenario» schlittern, so könnten die Preise noch mehr unter Druck kommen und im Juni und Juli um bis zu 15% gegenüber einem normalen Schneereservoir sinken (absolute Preisminderung von um die 7€/MWh).

Preiseffekt Base des Schneereservoirs CH verglichen mit einem Schneereservoir auf Norm

Schneemenge nicht alleiniger Faktor

Der Strommarkt und -preis ist nicht allein vom Schnee oder vom Wasser abhängig. Ein wichtiger Faktor in der Bestimmung des Schweizer Preises sind auch die Grenzflüsse in die benachbarten Länder.

In den oben beschriebenen Szenarien tief, aktuell und hoch wurde lediglich an der «Schneeschraube» gedreht, sprich hier galten uneingeschränkte Exportkapazitäten an den Schweizer Grenzen. Dies ist in Realität aber nicht zwingend der Fall, denn in der Vergangenheit hat der Schweizer Netzbetreiber Swissgrid die Grenzflüsse reduziert. Deswegen haben wir für die aktuelle Ausprägung des Schneereservoirs mit dem Swiss Modell zusätzlich ein Szenario gerechnet, welches die Grenze des Stromexports von der Schweiz nach Deutschland von normal 4GW auf 2.5GW kürzt.

In diesem Szenario rutscht der Schweizer Strompreis ab April etwa doppelt so viel ab wie in dem «aktuellen» Szenario mit voll belastbarer Grenze. Sprich: mit einer gekürzten Nordgrenze wie im Jahr 2019 verdoppelt sich der Preiseffekt im aktuellen Szenario ab Mai von rund 4% auf etwa 7%, oder in absoluten Zahlen auf rund 3€/MWh. Denn wenn der Strom nicht exportiert werden kann, dann bleibt er in der Schweiz und drückt auf das Preisniveau.

Dies ist aber derzeit noch Theorie. Man muss abwarten, wie viel Schnee Ende Winter tatsächlich in den Bergen liegt, wie und über welchen Zeitraum die Schneeschmelze über die Bühne geht und wie die Grenzen für Stromexporte aus der Schweiz zur Verfügung stehen.

Der Schweizer Netzbetreiber Swissgrid hat im Sommer 2019 den Stromfluss an der Grenze von der Schweiz nach Deutschland, im Stromjargon auch Nordgrenze genannt, wegen Netzproblemen in der Schweiz reduziert. Dies hat den Schweizer Strompreis belastet. Der Fluss wurde von den maximalen 4GW erst auf 3GW und dann auf 2.5GW gekürzt. Auch im Jahr 2020 gab es Kürzungen, wobei diese nur an einzelnen Tagen vollzogen wurden.

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