Kraftort und Kraftwerk müssen kein Widerspruch sein

Die Schweizer Bevölkerung schätzt und schützt den alpinen Lebensraum. Gleichzeitig sind die Alpen für den Erfolg der Energiewende wichtig. Eine innovative Lösung für Solaranlagen könnte den Widerspruch aufheben.

«Es ist wichtig, dass wir im Winter mehr klimafreundliche, einheimische Energie produzieren», sagt Markus Balmer, Head of Solar Development & Energy Solutions Schweiz bei der BKW. «Alpine Solaranlagen können mit ihrem hohen Produktionsanteil im Winter einen wesentlichen Beitrag dazu leisten.» Solarpanels oberhalb der Nebelgrenze erzeugen im Winterhalbjahr rund dreimalmehr Strom als solche im Flachland, wie eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) zeigt.

Solaranlagen in der Höhe sind ein effizientes Mittel, um die Energiestrategie des Bundes zu erfüllen und die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Das Stromgesetz, über das am 9. Juni abgestimmt wird, soll den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen.

Fakt ist: Der Strombedarf in der Schweiz wird mit der zunehmenden Elektrifizierung durch Elektromobilität, Wärmepumpen und neue Technologien weiter steigen. Der geplante Ausstieg aus der Kernkraft wird die Lücke in der Stromversorgung vergrössern. Im Sommer lässt sich der Bedarf dank Wasserkraft und dem Ausbau erneuerbarer Energiequellen im Mittelland aus einheimischer Produktion decken. Doch im Winterhalbjahr ist die Schweiz derzeit auf Stromimporte angewiesen. Diese Energie wird oft aus fossilen Quellen wie Kohle oder Gas generiert.

Alpinen Lebensraum schützen und nutzen

Trotz dieser Ausgangslage regt sich gegen viele der geplanten alpinen Solaranlagen Widerstand. Tourismusorganisationen fürchten den Eingriff in die Landschaft, Anwohnerinnen und Anwohner den Baulärm durch Lastwagen und Helikopterflüge. Umweltverbände warnen vor Schäden an Flora und Fauna, Bauernbetriebe sorgen sich um den Verlust der Weiden.

Dabei melden nicht nur Interessenvertreter oder direkt Betroffene ihre Bedenken an. Unsere Alpen sind für die Mehrheit der Bevölkerung ein schützenswerter Natur- und Erholungsraum. Dies zeigt die Studie zum alpinen Lebensraum, die das Forschungsinstitut Sotomo Anfang Jahr im Auftrag der BKW durchgeführt hat.

Studie «Alpiner Lebensraum»

Studie «Alpiner Lebensraum»

Die Alpen sind für viele ein Sehnsuchtsort, prägend für die Identität der Schweiz. Doch welche Bedürfnisse hat die alpine Bevölkerung und welche Vorstellungen verbindet die Bevölkerung im Mittelland mit den Alpen?

Zwar befürworten mit 73 Prozent fast drei Viertel der Befragten erneuerbare Energieprojekte in den Bergen. Zugleich möchten 93 Prozent die Natur- und Schutzräume erhalten und beim Bau von Energieanlagen Eingriffe in die Natur minimieren. Es sind diese Gegensätze, die sich auch bei den bisherigen Abstimmungen zu alpinen Solaranlagen zeigten.

Die Einwände gegen Solarprojekte spornten Markus Balmer an: «Die verschiedenen Ansprüche sind für mein Team und mich eine Aufforderung, nach besseren Lösungen zu suchen.» Darum soll der innovative Ansatz, den Balmers Team entwickelt hat, den unterschiedlichen Interessen Rechnung tragen und die Balance zwischen schützenswerter Berglandschaft und dem ausgewiesenen Bedarf an erneuerbarer Energie finden.

«Es wird nicht bleiben, wie es ist, auch wenn wir keine alpinen Solaranlagen bauen.»
Markus Balmer

Lösung der BKW geht auf Bedürfnisse ein

«Wenn wir nichts ändern, können wir den Klimawandel nicht abbremsen», sagt Markus Balmer. Gerade der Alpenraum sei vom Klimawandel besonders betroffen. Er spricht den Rückgang von Permafrost und Gletschern, die Zunahme von Murgängen und die abnehmende Biodiversität an. «Es wird nicht bleiben, wie es ist, auch wenn wir keine alpinen Solaranlagen bauen», bilanziert Balmer.

Die Studie zeigt, dass der Alpenraum von der Bevölkerung als wichtiger Akteur bei der Energiewende anerkannt wird. 72 Prozent der Befragten befürworten denn auch den Ausbau bestehender Infrastrukturen für die Energieproduktion.

Die von der BKW entwickelte Lösung nimmt Rücksicht auf die verschiedenen Bedürfnisse. Die Solartische verfügen über einen zum Patent angemeldeten Klappmechanismus. Dadurch vermag die Anlage trotz weniger Stützen und Fundationspunkte den Schneedruck eines Jahrhundertwinters unbeschadet zu überstehen. «Bei zu hohem Schneedruck klappt die untere Reihe hoch und entlastet die Struktur. Zudem erlauben die grossen Stützenabstände von bis zu 7,5 Metern eine gute Zirkulation von Nutz- und Wildtieren innerhalb der Solaranlage», erläutert Balmer die innovative, von der BKW speziell für alpine Solaranlagen entwickelte Lösung.

Markus Balmer hat zusammen mit seinem Team eine innovative Lösung für alpine Solaranlagen entwickelt.
«Wenn alles wie geplant funktioniert, stehen ab 2025 die Tische für den Bau der Anlagen zur Verfügung.»
Markus Balmer

Gleichzeitig erhofft sich der Betriebswirt der BKW weitere Vorteile. «Die grossen Stützenabstände führen, im Vergleich zu anderen Lösungen, zu bis zu 3,5-mal weniger Fundationspunkten pro alpine Solaranlage. Das wird sich auch in den Baukosten niederschlagen und führt zu weniger Eingriffen in die sensiblen Böden der Alpweiden.»

In diesem Sommer will die BKW den ersten Prototyp aufbauen. Dabei wird ein Solartisch von rund 20 Metern Länge und 5 Metern Höhe mit 32 Modulen gebaut, vor allem um die Abläufe bei der Installation zu testen. Ähnlich wie bei Holzschlagarbeiten am Steilhang werden temporäre Transportseilbahnen das Material anliefern. Auf diese Weise können viele Helikoptertransporte vermieden werden. Im Abstand von 7,5 Metern werden die Stützen für die Unterkonstruktion direkt in den Boden geschraubt, sofern es die Geologie zulässt. Das schone den Boden und könne bei Bedarf vollständig zurückgebaut werden. «Wenn alles wie geplant funktioniert, stehen ab 2025 die Tische für den Bau der Anlagen zur Verfügung», sagt Markus Balmer.

Zuerst gilt es jedoch, die Bewilligungen für die Solarprojekte der BKW zu erhalten. Der Weg zur Energiewende ist für alle herausfordernd. Alpine Solaranlagen sind ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Für die international tätige Energie- und Infrastrukturdienstleisterin steht die Frage im Fokus, wie sich Lösungen für die nachhaltige Energiegewinnung in den Alpen mit einer möglichst geringen Beeinträchtigung der Natur realisieren lassen.

Antworten dazu sucht die BKW auch im Rahmen des Ateliers «Alpiner Lebensraum» der Initiative «Lebensräume 2025». Das Atelier bietet eine Plattform für den Dialog zwischen allen relevanten Stakeholderinnen und Stakeholdern und fordert die partizipative Lösungserarbeitung. Denn sowohl bei der touristischen Nutzung als auch bei der Planung und Realisierung alpiner Energieprojekte geht es darum, die Interessen aller Beteiligten zu berücksichtigen. Sei es mit der innovativen Lösung für alpine Solaranlagen oder im Rahmen des Ateliers – im Mittelpunkt steht das gemeinsame Ziel, Infrastrukturen und Energielösungen in Alpenregionen zu fördern und gleichzeitig diesen einzigartigen Lebens- und Wirtschaftsraum langfristig zu erhalten.

Atelier Alpiner Lebensraum - Infrastrukturen zwischen Wertschöpfung und Wertschätzung

Atelier Alpiner Lebensraum - Infrastrukturen zwischen Wertschöpfung und Wertschätzung

Alpine Landschaften und Lebensräume übernehmen eine wichtige gesellschaftliche, ökologische und wirtschaftliche Funktion. Sie sind nicht nur eine beeindruckende Naturkulisse, sondern auch ein Lebens- und Wirtschaftsraum, der vor zahlreichen Herausforderungen steht. Dass diese auch Chancen bieten, zeigt sich im Atelier «Alpiner Lebensraum».

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Kommentare (4)

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  • Sehr geehrte Damen und Herren

    Folgende Frage:
    Stellen wir eine Alpine Solaranlage und ein Ölbetriebenes Kraftwerk in einem Industriegebiet im Mittelland aus dem klimafreundlichen Aspekt nebeneinander (sprich Co2 Belastung von der Produktion über den Transport-dem Bau-dem Betrieb-der Demontage und der Entsorgung), ist dann die Solaranlage die in ein wunderschönes Naturgebiet ohne bestehende Infrastruktur gebaut wird, wirklich Klimafreundlicher?

  • Schön, dass sich die BKW um sozialverträgliche Lösungen in der Stromproduktion bemüht. Die Animation zeigt die Montage und das Verhalten der Anlage bei Schnee.
    Zur Montage werden Erdschrauben in den Boden gedreht. Befürchte, dass das nur an ausgewählten Stellen möglich sein wird. Zudem frage ich mich, weshalb im hinteren Teil der Animation die Stützen ein plötzlich geändertes Profil aufweisen. Dann soll bei entsprechender Schneehöhe die untere Modulreihe angehoben werden. Das kann durchaus sein, wenn die Schneedecke nach unten wandert, bzw. ins Rutschen gerät. Ohne diese Bewegung sehe ich das Hochklappen realistischerweise nicht. Und dieses ruhende Szenario dürfte den grössten Zeitraum einnehmen. Im Gegenteil, weiter fallender Schnee würde sich dem Modul entlang weiter nach oben festsetzen, der Schneesaum käme höher zu stehen, als es die Schneedecke auf dem Boden ist.

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    • Guten Tag


      Herzlichen Dank für Ihr Interesse. 


      Das ist korrekt. Je nach Beschaffenheit des Untergrunds erfolgt die Fundation der Tische mit Schrauben oder Ankern. Die Tische sind so ausgelegt, dass in einem normalen Winter die Schneehöhe unterhalb der Module liegt. Die Anlagen müssen jedoch auch einen Jahrhundertwinter schadlos überstehen können. Bei den in diesem Fall ausserordentlichen Schneehöhen, können die Module in der unteren Reihe teilweise eingeschneit werden.


      Das ist für die Anlage so weit unproblematisch. Im Frühling wenn der Schnee nass und schwer wird und abzurutschen beginnt, entstehen dadurch enorme Drucklasten, welche die Module und die Struktur beschädigen könnten.


      Hier setzt unsere zum Patent angemeldete Lösung an. Sie erlaubt es der unteren Reihe bei zu hohem Schneedruck, ohne Beschädigung hochzuklappen und so den Druck einer Jahrhundertschneehöhe weder auf die Module noch auf die Struktur zu leiten.  


      Wir hoffen, diese Hintergründe beantworten Ihre Frage.


      Herzliche Grüsse


      BKW

  • Obwohl ich seit längerer Zeit aktives Mitglied (beteiligt am Bau und Betrieb weiterer PV-Anlagen) einer Solar-Genossenschaft bin stelle ich mich entschieden gegen dass Verbauen unserer schönen Natur und Alpenwelt.
    So lange wir genügend freie Dächer und andere bestehende Bauten für das Realisieren von grossen PV-Anlagen haben gilt es primär diese zu Nutzen.
    Auch wenn man hart Investitionsberechnungen (Baukosten versus finanziellen Ertrag solcher Anlagen).

    Ich persönlich werde am 09. Juni ein NEIN in die Urne legen. Wieso? Die BKW verlangt für Energy Green von Privatkunden 31,76 Rp-/kwh. Die Rückliefervergütung im 1. Quartal 2024 für Solarstromeinspeisung betrug winzige 6,18 Rp/kwh!!

    Bei einem JA am 09. Juni wäre es zum Beispiel der BKW möglich 0.00 Rp/kwh zeitweise den PV Stromlieferanten zu "vergüten".

    Aus diesem Grunde am 09.Juni ein NEIN.

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    • Bravo gut beobachtet eine Verschandelung der Alpen, genau das geschieht im Gantrisch Gebiet das Projekt ist nicht vollständig erarbeitet die Baubewilligung ist erteilt die Anlage zu erstellen aber der Strom kann nicht weggeführt werden weil die Leitungen die Kapazität garnicht schlucken kann.
      Auch scheint es unwichtig zu sein solche Projekte in der Moorlandschaft und im Naturpark zu Realisieren. Bin auch der Meinung im Tal die Dachflächen zu nutzen.

  • Dass die BKW den Hausbesitzern mit Rat und Tat zur Seite steht ist eine gute Sache und es braucht für die Energiewende alle Kräfte.
    Lokale PV Anlagen haben kurze Leitungen ein weiteres Plus. Wer will, kann bei der BKW ebenfalls eine Balkonsolaranlage anmelden, ist er denn im BKW Einzugsgebiet.
    Dass das gezeigte Bild oben, PV Grossanlage auf dem Tschingel, diesen Kraftort nicht schwächt, glaube ich nicht. Ich bin oft dort oben, es ist mein ganz persönlicher Kraftort. Kommt die Anlage, wird man mich dort nicht mehr sehen. (Und ja, ich produziere meinen Strom selber).

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    • Warum äussert sich die BKW nicht zu der im Landesvergleich schäbigen Vergütung von 6.18 Rappen wie oben beschrieben? Warum seid ihr ausser Stande oder nicht willens höhere Vergütungen auszurichten? Gebt bitte nicht dem Markt die Schuld, die anderen Anbieter sind dem auch ausgesetzt.

    • Guten Tag



      Vielen Dank für Ihre Anfrage. Die Vergütung richtet sich nach den vermiedenen Kosten des Netzbetreibers für die Beschaffung gleichwertiger Elektrizität. Bei der BKW entspricht die Rückliefervergütung mindestens dem für die BKW relevanten zeitgleichen Marktwert von Graustrom. Graustrom bezeichnet im Stromhandel elektrische Energie unbekannter Herkunft. Damit bezahlt die BKW den Rücklieferinnen und Rücklieferern jenen Preis, den sie selbst am Markt erzielt, wenn sie die Energie weiterverkauft.


      Mit diesem Vergütungssystem gibt die BKW die Marktpreisentwicklung zeitnah weiter, indem sie ihre Rückliefervergütung vierteljährlich anpasst. Auf diese Weise reflektiert die bezahlte Vergütung den Marktwert des Stroms und setzt so insbesondere Anreize für eine erhöhte Winterproduktion. Die Photovoltaik wird so gleich behandelt wie andere Produktionstechnologien, etwa die Wind- oder Wasserkraft.



      Wir hoffen, diese Ausführungen helfen weiter und grüssen freundlich.



      BKW

    • Tatsächlich stellt die BKW ihren Kunden als reinen Energiepreis 2024 pro kWh 10.02 Rp. für Graustrom in Rechnung, also nicht den Marktpreis (1. Quartal 6.18 Rp., 2. Quartal 3.60 Rp.). Sie wendet den Marktpreis nicht an, wenn die Kunden profitieren würden, dieser kommt nur zum Zug, wenn es zulasten der PV-Besitzenden geht. Herkunftsnachweise, mit denen aus Graustrom Energy Green wird, wurden den PV-Besitzenden im 1. Halbjahr mit 1 Rp./kWh abgekauft, ab 1. Juli werden es dann 3.50 Rp./kWh. Total hat die BKW somit im 1. Haljahr 2024 7.18/4.60 pro kWh bezahlt, dafür aber 13.52 Rp./kWH von den Kunden kassiert. Sie hat also eine Marge von von knapp 100 % bzw knapp 300 % erzielt. Diese liegt weit jenseits einer fairen Abgeltung für den BKW-Aufwand und einem angemessenen Gewinn.
      Angesichts dieser Preispolitik empfinde ich den Slogan "Gemeinsam in die Energiezukunft" als Hohn.