Wie man dank einer Perlenkette die Orientierung behält

Im Lauterbrunnental entsteht das Wasserkraftwerk Sousbach. Die BKW baut dieses zusammen mit der EWL Genossenschaft Lauterbrunnen. Ein spezielles Vorhaben. Denn die rund 3 Kilometer lange Druckleitung verläuft komplett im Inneren des Berges. Wie bricht man den hierfür notwendigen Stollen aus? Und wie behalten die Mineure die Orientierung beim Vortrieb? Wir fragten Patrick Manz, den Projektleiter der BKW.

Patrick Manz, die Winterpause der Baustelle fürs Wasserkraftwerk Sousbach ist vorbei. Wo steht ihr mit den Arbeiten?

Da ein grosser Teil der Arbeiten im Inneren des Berges stattfindet, konnten wir den Winter praktisch durcharbeiten. So wurde der Sprengvortrieb für den Stollen beim Zentralenstandort fortgeführt. Mittlerweile sind rund 180 Meter des unteren 833 Meter langen Stollens ausgebrochen. Aufgrund der geologischen Verhältnisse gestaltet sich der Sprengvortrieb bis anhin als sehr aufwendig. Ab Mitte April geht es beim Zwischenangriff Hacketewald weiter. Hier startet der Stollenvortrieb in Richtung Wasserfassung. Rund einen Monat später werden die Arbeiten bei der Wasserfassung auf knapp 1’700 Meter über Meer in Angriff genommen.

Karte Wasserkraftwerk Sousbach
© 2011 Google / Tele Atlas / Europa Technologies

Das Kraftwerk am Sousbach wird zu einem grossen Teil im Berginneren gebaut, nur Wasserfassung und Zentrale sind aussen sichtbar. Der Aushub des insgesamt 3km langen Stollens durch den Berg ist sehr aufwendig und dauert lange. Warum habt ihr euch für diese Variante entschieden?

Bereits bei der Machbarkeitsprüfung für eine Nutzung des Sousbachs wurden verschiedene Fassungsstandorte und Druckleitungs-Trassees geprüft. Schon bald war aber klar, dass der Triebwasserweg ausschliesslich im Berg verlaufen kann. Und zwar aus zwei Gründen: zum einen wegen geologischen Risiken; oberflächliche Rutschungen auf diversen Gefällsabschnitten sind nicht auszuschliessen. Zum anderen wegen dem nicht vertretbaren Eingriff auf die teilweise geschützte Flora und Fauna durch die Graben- und Rohrverlegearbeiten.

Werden trotzdem ökologische Massnahmen getroffen, damit das Kraftwerk die Umwelt nicht zu stark tangiert?

Ja. Wie bei jedem Kraftwerksvorhaben kompensieren wir auch hier die ökologischen Auswirkungen aus der Bau- und anschliessenden Betriebsphase. Diese beschränken sich auf die Bereiche der Fassung und der Zentrale. Durch den Bau tangierte geschützte Vegetationen werden nach Möglichkeit umgesiedelt. Wo das nicht geht, wird nach Bauende neuer Lebensraum geschaffen.

Ihr musstet den Stollen in der Planung in zwei Abschnitte aufteilen (siehe Animation) und diese mit einem senkrechten Stollen von 400m verbinden. Warum?

Es standen zwei Varianten im Vordergrund. Einerseits mittels einer Tunnelbohrmaschine einen rund 2,5 Kilometer langen Stollen mit einer Steigung von rund 36 Prozent aufzufahren. Oder anderseits das Konzept mittels zweier Stollen und einem dazwischenliegenden gebohrten senkrechten Schacht, der die beiden Stollen verbindet. Die geologische Situation und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Auswirkungen haben letztendlich den Ausschlag für die vorliegende Variante gegeben.

Der Stollen wird mit Sprengungen vorangetrieben. Wie schafft man es, hierbei die richtige Richtung zu behalten?

In der Planungsphase wurde die Vortriebsrichtung des Stollens in regelmässigen Abständen mit Koordinatenpunkten in Höhe und Lage bestimmt, vergleichbar mit einer Perlenkette aus einzelnen Vermessungspunkten. Weiter wurde vor Baubeginn beim künftigen Stollenportal ein exaktes Messpunktenetz erstellt, das nun als Referenz dient.

Beim Vortrieb werden nun fortlaufend die einzelnen Vermessungspunkte im Sprengvortrieb angefahren bzw. wird der Stollen in diese Richtung ausgebrochen. Um die genaue Lage des aktuellen Standorts zu bestimmen, wird das Referenzpunktnetz mit dem laufenden Vortrieb im Stollen nachgeführt. So behalten die Mineure immer die Orientierung.

Bohrer und Sprengladungen

Ab 2025 wird das Kraftwerk rund 6700 Haushalte mit sauberem Strom versorgen können. Wie sieht die Produktion im Winter aus, wenn der Bach kaum Wasser führt? Ist sie überhaupt möglich?

Das Kraftwerk profitiert von der Schneeschmelze im Frühjahr und Niederschlägen im ganzen Sommerhalbjahr. Wie bei jedem Gebirgsbach nimmt im Winterhalbjahr der Abfluss deutlich ab. Ein Kraftwerksbetrieb in Teillast bis in den Spätherbst beziehungsweise ab cirka März wird möglich sein. Zudem wird in den kältesten Winterwochen, bei unzureichendem Abfluss für einen konstanten Kraftwerksbetrieb, das gefasste Wasser in der Entsanderkaverne zwischengespeichert und alternierend turbiniert.

Zahlen und Fakten

Bauzeit: August 2020 – Sommer 2025

Installierte Leistung: 11.3 MW

Erwartete Jahresproduktion: 30.6 GWh, Strom für rund 6’700 Haushalte

Baukostenknapp: 50 Mio. CHF

Nutzbare Bruttofallhöhe: 917 m

Länge Triebwasserweg im Stollen-Schachtsystem: 2’980 m

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