Die Energiezukunft austesten

Ein neues Leben für Batterien aus Elektroautos. Ein Speicher für überschüssigen Solarstrom. Und die Möglichkeit, Lastspitzen beim Stromverbrauch zu brechen: Mit einem gemeinsamen Pilotprojekt testen die BKW und das Start-up sun2wheel auf dem Areal des Inforama in Zollikofen Lösungen für mehrere Herausforderungen der Energiewende.

Auf dem Areal des Zentrums für landwirtschaftliche Aus- und Weiterbildung sowie Beratung – dem Inforama in Zollikofen – steht seit ein paar Wochen ein knallgrüner Autoanhänger. Darin: vier ausgediente Elektroauto-Batterien. Doch was heisst hier ausgedient? Nach rund 300’000 Kilometern eignen sich Batterien nicht mehr für den Einsatz in Elektroautos, weil sie dann nur noch rund 80 Prozent der ursprünglichen Energie aufnehmen können.

Was für ein Elektroauto zu wenig ist, reicht beim Einsatz in einem stationären Speicher noch lange. «Rund zehn weitere Jahre können die Batterien in dieser Form als sogenannter Second Use verwendet werden», sagt Dominik Müller, zuständig für den Vertrieb bei sun2wheel. Das Start-up hat die Vision, das volle Potenzial der Elektromobilität zu nutzen. Dazu gehört es auch, Batterien über ihre Nutzungsdauer im Auto hinaus einzusetzen.

Autoanhänger
Der knallgrüne Autoanhänger auf dem Areal des Inforama in Zollikofen.
Dominik Müller
«Rund zehn weitere Jahre können Autobatterien als Speicher verwendet werden.»
Dominik Müller, Verantwortlicher Vertrieb bei sun2wheel

Leistungsspitzen brechen

Die Batterien haben aber noch eine zweite – für das Inforama wichtigere – Funktion: Als Grossverbraucherin bezahlt das Inforama mit der Stromrechnung nicht nur die bezogene Strommenge, sondern auch einen Leistungstarif. Dieser basiert auf der höchsten im Monat gemessenen Viertelstunden-Leistung die beim Netzanschluss anfällt. Braucht das Inforama also zu einem bestimmten Zeitpunkt besonders viel Strom, kann es diesen nun zu einem Teil aus den Batterien beziehen. So fällt nicht nur die Leistungsspitze beim Netzanschluss tiefer aus, sondern auch die Stromrechnung. Lorenz Held, Amtsvorsteher AGG und Kantonsbaumeister, sagt dazu: «Das AGG kann mit dem Pilotprojekt seinen Nachhaltigkeitszielen Nachdruck verleihen und die Grundlage für wirtschaftlichere und ökologischere Gebäude legen.»

Die BKW ihrerseits nutzt die rund viermonatige Projektdauer für die Entwicklung neuer smarter Energiedienstleistungen. «Die vor Ort gemessenen Daten geben uns ausgezeichnete Grundlagen, um das Inforama umfassend in der Weiterentwicklung ihrer Energielösungen beraten und unterstützen zu können», sagt Dr. Martin Kauert, Geschäftsentwickler bei der BKW, «das kann beispielsweise ein stationärer Batteriespeicher in Kombination mit einer bezüglich Leistung optimal abgestimmten Photovoltaikanlage oder der intelligente Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos sein.»

Martin Kauert und Dominik Müller
Martin Kauert und Dominik Müller vor den Autobatterien, die als Speicher ein zweites Leben erhalten.
Lorenz Held
«Das AGG kann mit dem Pilotprojekt seinen Nachhaltigkeitszielen Nachdruck verleihen und die Grundlage für wirtschaftlichere und ökologischere Gebäude legen.»
Lorenz Held, Amtsvorsteher AGG und Kantonsbaumeister

Eine zusätzliche Speicherkapazität, die dem Tagesverbrauch von 700’000 Haushalten entspricht

Zu einer möglichen Lösung gehört ein weiteres Element: Integriert in den Autoanhänger ist eine Ladeinfrastruktur für bidirektionales Laden von Autobatterien – dieses Mal in Elektroautos, versteht sich. Will heissen: Die Elektroautos können geladen werden, gleichzeitig aber auch selber Strom aus ihren Batterien ans System abgeben. Dieses Konzept nennt sich «Vehicle to Home/Grid (V2H/V2G)».

Was damit beim Inforama ausgetestet wird, ist nichts weniger als die Energiezukunft: «Schon in wenigen Jahren werden wir in der Schweiz über 200’000 Elektroautos haben. All diese Batterien zusammen besitzen eine Speicherkapazität von über 10 Gigawattstunden, was dem Tagesverbrauch von rund 700’000 Haushalten entspricht» sagt Dominik Müller. Die Markteinführung dieser V2H/V2G-Konzepte dürfte noch eine gewisse Zeit beanspruchen. Unterdessen wird der knallgrüne Autoanhänger zu anderen potenziellen Kundinnen und Kunden weiterziehen. «Mit diesem mobilen Pilotsystem kann man die Funktionsweise testen und mögliche Lösungen diskutieren, bevor sich der Kunde für die geeignete fixe Lösung vor Ort entscheidet», erklärt Martin Kauert.

Dominik Müller und Martin Kauert mit der Ladeinfrastruktur
Laden und Entladen: Je nachdem, was das Gesamtsystem gerade braucht. Beides ist zukünftig vermehrt möglich.
Martin Kauert
«Mit diesem mobilen Pilotsystem können wir die Funktionsweise testen und mögliche Lösungen diskutieren, bevor man sich der Kunde für die geeignete fixe Lösung vor Ort entscheiden muss.»
Martin Kauert, Geschäftsentwickler bei der BKW

Das ist auch das Ziel des AGG: «Dank der Kooperation mit der BKW kann der Kanton Bern seine Ziele der Energiestrategie verfolgen und einen wichtigen Beitrag für unsere Energiezukunft leisten», sagt Lorenz Held.

sun2wheel

Das Start-up sun2wheel entwickelt Speicher- und Ladesysteme für die Elektromobilität der Zukunft. Damit erhalten Batterien über den Einsatz im Elektroauto hinaus weitere Funktionen und tragen so zur Energiezukunft bei.

INFORAMA

Das INFORAMA ist das Aus- und Weiterbildungs-, Beratungs- und Tagungszentrum für Land- und Hauswirtschaft, Gemüsebau und Pferdeberufe im Kanton Bern.

Unser Beitrag zur Nachhaltigkeit 

Mit unserem Handeln, unseren Produkten und Dienstleistungen tragen wir zu einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Umwelt bei. Die BKW entwickelt Lösungen für die Gestaltung von zukunftsfähigen Infrastrukturen und Lebensräumen. Dabei bekennt sie sich zu den Sustainable Development Goals der UNO. Mehr Infos zu unserem Nachhaltigkeitsmanagement finden Sie hier.

Autor:in

Kommentare (2)

BKW ist offen für einen respektvollen Onlinedialog (unsere Netiquette) und freut sich über Ihre Kommentare und Fragen. Für Fragen, die nicht zum obigen Thema passen, verwenden Sie bitte das Kontaktformular.

  • Guten Tag Herr Niederhauser
    Merci für das Feedback. Wir möchten mit dem Demonstrator bzw. mit den zugrunde liegenden Energiedienstleistung v.a. Gross- und Industriekunden einen Mehrwert liefern.
    Sobald wir aber V2H bei unserer Privatkundenlösung «Home Energy» anbieten oder testen, komme ich gerne auf ihr Angebot zurück.
    Beste Grüsse
    Martin Kauert

  • Sehr interessanter Bericht.
    Falls nach weiteren Testmöglichkeiten für V2H (EFH mit Elektroauto und PV-Anlage inkl. Homeenergy, innerhalb BKW Versorgungsgebiet) gesucht wird, würde ich meine Anlage gerne für einen Test zur Verfügung stellen...
    EFH, PV-Anlage, Home-Energy und Elektroauto wäre bereits vorhanden... Was noch fehlt ist der Speicher..
    Platz zum Abstellen eines Anhängers hätte es übrigens auch genügend :-)
    Liebe Grüsse
    M. Niederhauser