Was kostet eine Energiewende mit Solarenergie?

In seinem «Solarplan» sieht Roger Nordmann für die Schweiz eine Energiewende mit einem ambitionierten Ausbau der Photovoltaik vor. Nachdem die BKW bereits die Auswirkungen auf die Stromhandelsbilanz und Versorgungssicherheit analysiert hat, werden im Folgenden die volkswirtschaftlichen Kosten eines solchen Plans geschätzt. Fazit: der Plan wäre teuer, aber nicht unbezahlbar.

In seinem Buch «Sonne für den Klimaschutz» skizziert Nationalrat Roger Nordmann einen ambitionierten Plan für den Ausbau der Photovoltaik (PV) in der Schweiz.
Dieser sieht im Wesentlichen drei Stossrichtungen vor:

  1. Ausbau der PV von heute etwa 2.3 auf 50 GW in 2050,
  2. Bau von Gaskraftwerken zur Vermeidung von Stromimporten im Winter,
  3. Ausbau der saisonalen Speicherung durch Power-to-Gas-Anlagen.

Dabei geht der Solarplan – wie viele andere Prognosen auch – von einem stark wachsenden Stromverbrauch vor allem durch mehr Elektromobilität aus.

In einem älteren Blog analysierten wir die Effekte auf die Stromhandelsbilanz und die Versorgungssicherheit. Ausgeklammert hatten wir die volkswirtschaftlichen Kosten – dies holen wir nun nach. Denn mit dem Ausbau von PV, Gaskraftwerken und Power-to-Gas sowie den nötigen Um- und Ausbauten beim Stromnetz sind enorme Investitionen verbunden.

Bei der Berechnung volkswirtschaftlicher Kosten sind zwei Aspekte zu berücksichtigen. Zum einen besteht bei den Energieinfrastrukturen ohnehin (Re-) Investitionsbedarf: Kernkraftwerke haben eine technisch und ökonomisch begrenzte Lebensdauer, Wasserkraftwerke und Netze müssen erneuert werden. Die Analyse fokussiert daher auf die zusätzlichen, durch den Solarplan verursachten Kosten bis 2050. Zum anderen werden nicht sämtliche Kosten durch die Allgemeinheit getragen, da ein Teil durch Markterträge gedeckt werden kann – was den Subventionsbedarf reduziert.

38 Milliarden Franken für den PV-Ausbau

Beim PV-Ausbau gehen wir von einem konstanten Wachstum aus, wobei die maximale Produktionsleistung von 50 Gigawatt im 2050 erreicht wird. Um die volkswirtschaftlichen Kosten dieses PV-Ausbaus zu ermitteln, ist von den prognostizierten Kosten der erwartete Marktpreis des Solarstroms abzuziehen – die Differenz wird in unserer Berechnung über eine pro Kilowattstunde ausbezahlten Prämie subventioniert.

Basierend auf den aktuellen Gestehungskosten einer mittleren Anlage (gem. Swissolar) wird die weitere Kostenentwicklung auf Basis einer Prognose des Paul Scherrer Instituts (PSI) gerechnet. Danach liegen die mittleren Gestehungskosten neu installierter Anlagen aktuell bei 12 Rappen pro Kilowattstunde, im Jahr 2050 bei 7.5 Rappen. Zur Berechnung des Marktpreises wird eine Strompreisentwicklung auf Basis einer Prognose des Bundesamts für Energie (BFE) unterstellt. Danach steigen die realen (inflationsbereinigten) Strommarktpreise in der Schweiz bis 2035 auf rund 60 Euro pro Megawattstunde, also etwa 6.4 Rappen pro Kilowattstunde. In unserer Berechnung halten wir die Preise für die restlichen Jahre bis 2050 konstant auf diesem Niveau. Zum Vergleich: in 2019 lagen die mittleren Preise am Spotmarkt bei ca. 41 Euro pro Megawattstunde.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der durch PV produzierte Strom bereits heute nicht den mittleren Marktpreis am Spotmarkt (sog. Base-Preise) erzielen kann. Bei sonnigem Wetter produzieren sämtliche PV-Anlagen gleichzeitig und erhöhen dadurch das Stromangebot am Markt derart stark, dass die Preise am Markt spürbar sinken. Dieser «Kannibalisierungseffekt» nimmt bei wachsender PV-Produktion zu: In den Berechnungen sinkt der PV-Marktwert – also der spezifische von der PV erzielbare Marktpreis – von aktuell rund 90% auf noch 60% der mittleren Preise in 2050. Nach dieser Rechnung verbleiben in der Periode zwischen heute und 2050 ungedeckte Gestehungskosten von rund 38 Milliarden Franken, die über eine Prämie subventioniert werden müssten.

Gaskraftwerke: Ohnehin nötig für die Versorgungssicherheit?

Neben dem PV-Ausbau sieht der Solarplan den Ausbau von Gaskraftwerken vor, um den Importbedarf im Winter zu reduzieren, beziehungsweise die Versorgungssicherheit zu stärken. Hinweise auf den nötigen Subventionsbedarf für den Bau neuer Gaskraftwerke liefern die Erfahrungen aus dem italienischen Kapazitätsmarkt, der gezielt zur Finanzierung von Kraftwerken für die Versorgungssicherheit geschaffen wurde. Dabei vergibt der Staat in wettbewerblichen Auktionsverfahren Subventionen für den Neubau von Kraftwerken. In den Ende 2019 durchgeführten Auktionen resultierte eine Subventionshöhe von 1.125 Millionen Euro pro Megawatt neuer Kraftwerksleistung.

Die im Solarplan Nordmann unterstellten Gaskraftwerkskapazitäten belaufen sich nach unseren Berechnungen auf etwa 5.6 Gigawatt. Nimmt man vereinfachend die italienischen Zahlen als Grundlage, beläuft sich deren Subventionsbedarf auf rund 6.7 Milliarden Franken. Allerdings muss es sich dabei nicht vollumfänglich um zusätzliche Kosten des Solarplans handeln. Schliesslich muss die Schweiz voraussichtlich ohnehin in Produktionskapazitäten für die Versorgungssicherheit investieren: Werden weitere Kernkraftwerke abgeschaltet, bieten sich Gaskraftwerke als Back-up-Technologie zur Überbrückung kritischer Versorgungsituationen an – auch die Regulierungsbehörde ElCom hat die Notwendigkeit von Gaskraftwerken bereits zur Diskussion gestellt.

Ausbau der saisonalen Stromspeicherung

Zur Versorgungssicherheit trägt im Solarplan auch ein Ausbau der saisonalen Stromspeicherung bei. Power-to-Gas-Anlagen wandeln im Sommer überschüssigen Strom in synthetisches Gas um, mit dem in den Wintermonaten rund 1.8 Terrawattstunden Strom produziert werden kann. Dazu wären Elektrolyseanlagen mit einer Leistung von etwa 1.84 Gigawatt nötig (Annahme 2500 Volllaststunden).

Basierend auf einer Studie der deutschen Energie-Agentur DENA sowie der BFE-Strompreisprognose können Kosten und Markterträge geschätzt werden. Da die Kosten der Power-to-Gas-Technologie gemäss dieser Studie künftig noch sinken werden, nehmen wir der Einfachheit halber an, dass sämtliche Investitionen im Jahr 2030 realisiert werden. Die Investitionen für Elektrolyse- und Methanisierungsanlagen belaufen sich dann auf etwa 1.1 Milliarden Franken. Zwar wäre das synthetische Gas von einer CO2-Abgabe befreit, doch lägen die Herstellungskosten in der Periode 2030 bis 2050 ungefähr vier- bis fünfmal so hoch wie der Preis für konventionelles Gas (gem. BFE-Prognose). Der Subventionsbedarf für den Bau und Betrieb summierte sich damit auf rund 4 Milliarden Franken.

«Peak-Shaving» begrenzt Netzausbau-Bedarf

Diese Netzkosten könnten deutlich reduziert werden, wenn die Einspeiseleistung der PV-Anlagen begrenzt wird. Durch ein solches «Peak-Shaving» fiele der Netzausbaubedarf geringer aus: Eine Beschränkung auf 70% der installierten PV-Leistung könnte das Wachstum der Netzkosten nach unseren Schätzungen um etwa 30% senken. Eine solche Produktionsbeschränkung würden den Subventionsbedarf für die PV-Anlagen nur geringfügig anheben. Denn einerseits produzieren die PV-Anlagen nur selten bei ihrer maximalen Kapazität. Ihre Produktion würde nur geringfügig geschmälert (im tiefen einstelligen Prozentbereich). Anderseits würde die maximale PV-Produktion das Marktangebot kurzzeitig derart stark erhöhen, dass dann die Preise ohnehin sehr tief wären. Der durch die Einspeisebegrenzung verursachte Erlösverlust der PV am Markt wäre daher gering (<1 Mrd. CHF). Auch Nordmann sieht ein «Peak-Shaving» vor. Doch setzt er dieses dynamisch ein, um in Phasen mit PV-Überproduktion Stromexporte zu verhindern. Da er keine permanente Leistungsbeschränkung unterstellt, liessen sich damit keine Netzausbauten vermeiden.

Fazit: Teuer, aber bezahlbar?

Werden die Kosten der Gaskraftwerke mitberücksichtigt (obschon solche für die Versorgungssicherheit unseres Erachtens voraussichtlich ohnehin nötig werden), belaufen sich die gesamten zusätzlichen volkswirtschaftlichen Kosten des Solarplans über die Zeitspanne von heute bis 2050 auf rund 70 Milliarden Franken, also etwa 2.3 Milliarden pro Jahr (zu Preisen von 2020, also ohne Inflation). Der Betrag erscheint auf den ersten Blick zwar sehr hoch, relativiert sich aber, wenn man ihn mit den bereits heute generierten jährlichen Einnahmen des sogenannten Netzzuschlags im Umfang von ca. 1.25 Milliarden Franken (2.3 Rp./kWh) vergleicht – mit diesem Betrag wird bereits heute die Förderung erneuerbarer Energien subventioniert.

Eine effektivere Beschränkung der Einspeiseleistung von PV-Anlagen («Peak Shaving») könnte ausserdem die volkswirtschaftlichen Kosten wesentlich reduzieren – ohne negative Folgen für die Versorgung. Ohnehin käme eine sichere Stromversorgung generell mit weniger Produktionskapazität als im Solarplan vorgesehen aus.

Unsichere Prognosen – vor allem bei der Innovation

Natürlich sind diese Zahlen mit hoher Unsicherheit behaftet. Sowohl die Energiepreise als auch die technologische Entwicklung und damit die Kosten lassen sich nur schwer derart langfristig prognostizieren. So könnten Innovationen die PV-Gestehungskosten stärker senken oder – mittels kostengünstigen Batterien – die Marktwertigkeit des PV-Stroms stabilisieren. Daneben werden hier die volkswirtschaftlichen Kosten in 2050 «abgeschnitten». Das heisst, sowohl zusätzliche Erträge aber auch Kosten (bzw. Subventionsbedarf) von Anlagen, die über das Jahr 2050 hinaus betrieben werden, werden hier nicht berücksichtigt.

Gerade beim Netz fällt dies ins Gewicht, wo mehr als die Hälfte der Abschreibungen der Mehrinvestitionen erst nach 2050 anfallen würden. Unberücksichtigt bleiben auch Investitionen in den Erhalt oder den Ausbau von Anlagen nach 2050 – ob und in welchem Ausmass hierfür wiederum Subventionen nötig sind, lässt sich heute kaum vorhersehen. Vielleicht stehen dann völlig neue Technologien zur Verfügung, die den Strom zentral oder dezentral erzeugen – mit oder auch ohne Subventionen.

Steigende Kosten für Regelleistung und Regelenergie?

Häufig wird mit der wachsenden Produktion von erneuerbarer, fluktuierender Energie auch ein höherer Bedarf an Regelleistung und Regelenergie erwartet. Beides wird vom Übertragungsnetzbetreiber beschafft und eingesetzt, um im Netz bei Abweichungen von effektiven und prognostizierten Produktions- und Verbrauchsmengen für Stabilität zu sorgen. Erfahrungen aus Deutschland illustrieren jedoch, dass trotz massivem Ausbau von Windkraft und PV der Bedarf an Regelleistung und -energie abnahm. Technischer Fortschritt bei den Prognosemodellen, der Kraftwerkssteuerung sowie effizienteren Intraday- und Systemdienstleistungsmärkten haben umgekehrt die Kosten sogar gesenkt.
Davon abzugrenzen sind Kosten durch sog. Redispatch-Massnahmen. Dabei handelt es sich um Massnahmen, die der Übertragungsnetzbetreiber zur Beseitigung von Netzengpässen ergreift, z.B. mittels Eingriffen in den Kraftwerksbetrieb. Die nötige finanzielle Kompensation an die Kraftwerksbetreiber wird im Rahmen der Systemdienstleistungen an Endverbraucher weiterverrechnet. In Deutschland nahmen die Kosten für solche Redispatch-Massnahmen mit der Energiewende deutlich zu. Dies hängt mit dem einseitig starken Ausbau der Windkraft im Norden zusammen. Der resultierende Netzengpass in den Nord-Süd-Verbindungen wird durch Redispatch-Massnahmen der Netzbetreiber ausgeglichen. Längerfristig sollen neue Übertragungsnetzkapazitäten die Notwendigkeit solcher Massnahmen reduzieren.

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