BKW hält mit der BIM-Methode die Deutsche Bahn in Fahrt

Zum ersten Mal wird eine Freileitung in Deutschland mit der digitalen Methode Building Information Modeling (BIM) geplant. Den Prestige-Auftrag für die Erneuerung der Bahnstromleitung zwischen Muttenz und Haltingen (DE) führt die BKW Gruppe aus – dank ihrer Erfahrung mit BIM und ihrem länderübergreifenden Netzwerk.

Leistungs­erbringer

Die 132-Kilovolt-Überlandleitung, welche die Strecken der SBB und der Deutschen Bahn im Raum Basel und Süddeutschland mit Strom versorgt, ist mit einer Länge von knapp über fünf Kilometern eher kurz – und umfasst lediglich 25 Freileitungsmasten. Trotzdem bringt der Ersatzneubau dieser Bahnstromleitung aus den 1950er Jahren viele Herausforderungen mit sich: Denn die Leitung führt durch ein Gebiet, in dem Infrastruktureinrichtungen, Gewerbebauten und Wohnbebauungen dicht beieinander liegen. «Jeder einzelne Maststandort hat seine eigenen Gegebenheiten, die es für die Planung und die spätere Bauausführung zu berücksichtigen gilt», sagt der erfahrene Leitungsplaner Michael Grübnau von der LTB Leitungsbau GmbH aus dem BKW Netzwerk.

«Diese Leitung hier verläuft teilweise im Bahnhofsbereich und streckenweise parallel zwischen einer ICE-Trasse und einer Bundesstrasse, die sie an problematischen Stellen kreuzt.»
Michael Grübnau, Leitungsplaner von der LTB Leitungsbau GmbH

Üblicherweise führten Bahnstromleitungen direkt vom Kraftwerk über meist ländliches Gebiet zur Bahnstrecke. «Doch diese Leitung hier verläuft teilweise im Bahnhofsbereich und streckenweise parallel zwischen einer ICE-Trasse und einer Bundesstrasse, die sie an problematischen Stellen kreuzt.» Ebenfalls in die Quere kommen den Leitungsplanern im Bereich der Mastfundamente vorhandene Glasfaser- und Gasleitungen.

Erfahrungen mit BIM für Planung und Bau von Freileitungen sammeln

Die komplexe Aufgabenstellung macht diese Bahnstromleitung zum perfekten Pilotprojekt: Denn beim ersten Freileitungsprojekt Deutschlands, das mit der BIM-Methode umgesetzt wird, lässt sich testen, welche Mehrwerte das digitale Planen und Bauen von Freileitungen mit sich bringt. Ziel der DB Energie, einer Tochter der Deutschen Bahn, ist es, zusammen mit der BKW entsprechende Erfahrungen zu sammeln; sie folgt damit der Empfehlung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, für öffentliche Bauprojekte seit 2020 die BIM-Methode anzuwenden.

Michael Grübnau
Michael Grübnau, Leitungsplaner der LTB GmbH
«Mit der BIM-Methode können wir in diesem herausfordernden Projekt die Vorteile der Digitalisierung nutzen.»
Alexandra Kraemer, BIM Expertin der BKW Energy Solutions GmbH

BKW Expertin sieht darin grossen Mehrwert

«Mit der BIM-Methode können wir in diesem herausfordernden Projekt die Vorteile der Digitalisierung nutzen», sagt Alexandra Krämer, BIM Expertin der BKW Energy Solutions GmbH nahe Darmstadt (DE). «Wir erfassen die Realität, also die bestehende Infrastruktur ebenso wie die zu planende Leitung und die Masten in einem digitalen Zwilling. Dabei handelt es sich um ein multidimensionales Datenmodell, das neben der Freileitung auch Gelände, Schienen, Strassen und Gebäude – aber auch Termine und Kosten abbildet.» So kann das Modell beispielsweise verschiedene Varianten für den Bau der Maste simulieren, um frühzeitig optimale Zuwegungen oder Arbeitsflächen zu berücksichtigen.

Wenn eine Planänderung zu einer Kollision mit bestehender Infrastruktur führen könnte, erkennt das BIM-Modell dieses Risiko rechtzeitig. «Bisher wurden nur 2D-Pläne in Papier oder digital ausgetauscht. Dabei konnten Dinge übersehen werden oder gingen beim Betrachten mit sehr unterschiedlicher Software verloren.» Das seien typische Schnittstellenprobleme, die entstehen würden, wenn sich jeder Planungsexperte nur auf sein Fachgebiet konzentriert. «Durch die Kombination der Fachmodelle in einem Koordinationsmodell gibt es eine gemeinsame, einheitliche Datengrundlage mit definierten Schnittstellen und Verantwortlichkeiten», erklärt Alexandra Krämer. Die Herausforderung bestehe nun darin, sämtliche an die Leitung angrenzenden Nachbarbauten in 3D-Modellen zu erhalten. Linieninfrastrukturen seien im Vergleich zu punktuellen Bauwerken wesentlich aufwendiger zu modellieren, weshalb bisher nur wenige Infrastrukturprojekte wie Autobahnen und Stromleitungen in BIM realisiert würden. «Mit dem vorliegenden Pilotprojekt wollen wir auch solche Probleme erkennen und Lösungen dafür finden.»

Auch Zeit- und Kostenplanung wird erfasst

Um die Versorgungssicherheit durch die Bahnstromleitung sicherzustellen, müssen alle Arbeitsschritte exakt getaktet sein. «Auch hier hilft die BIM Methode», sagt Alexandra Krämer. Durch das Koordinationsmodell können Zeitfenster optimal mit allen Projektbeteiligten geplant werden. Neben der Planung soll das BIM-Modell gleichermassen den Bau und den späteren Betrieb der Stromleitung optimieren. Das geschieht, indem etwa geplante Bauteile mit Informationen aus dem Bau und Betrieb bereits im Digitalen Zwilling hinterlegt werden. Der Wartungsmonteur erhält später wichtige Auskünfte über den Zustand der Komponenten mit einem Klick. So können Investitionsentscheidungen fundierter getroffen werden und der Wert der Anlage langfristig gesteigert werden.

Alexandra Krämer
Alexandra Krämer, BIM Expertin der BKW Energy Solutions GmbH

Schweizer und deutsche Firmen im BKW Netzwerk ergänzen sich

Die Stromleitung der DB Netze führt auch über Schweizer Boden. Deshalb arbeiten für diesen Prestige-Auftrag BKW Konzerngesellschaften aus beiden Ländern zusammen. Wie sie innerhalb des BKW Netzwerkes voneinander profitieren, erklärt Kurt Kriesi, Leiter Leitungsbau bei BKW Grid- & Hydro-Engineering, im Interview.

Kurt Kriesi, die BKW plant die erste Freileitung Deutschlands mit der BIM-Methode. Weshalb ist dies die richtige Firma, für dieses länderübergreifende Prestige-Projekt?
Kurt Kriesi: Mit der LTB Leitungsbau GmbH hat die BKW einen renommierten Player im Netzwerk, der grosse Erfahrung mit der Planung und dem Bau von Freileitungen in ganz Deutschland hat, aber noch nie eine Leitung mit der BIM-Methode geplant hat. Und hier kommen wir von BKW Grid- & Hydro- Engineering ins Spiel, da wir über eine breite praktische BIM Erfahrung verfügen und BIM bereits bei mehreren Projekten nicht nur im Freileitungsbau eingesetzt haben: so zum Beispiel in Romanel für die SBB für die wir den ersten Schaltposten in der Schweiz vollständig in BIM geplant haben und bei einem Freileitungsprojekt am Wohlensee für die BKW selbst.

Welche konkreten Erfahrungen mit der BIM-Methode können die Schweizer den Deutschen mitgeben?
Wir haben unsere komplette BIM-Planung zu den beiden erwähnten Projekten vollständig mit der LTB geteilt und den Deutschen gezeigt, wie wir vorgegangen sind und wo wir Schwierigkeiten hatten. Zudem stellen wir unsere Spezifikationen zur Verfügung und zeigen auf, mit welchen Prozessen und Schnittstellen wir von A nach B gekommen sind. Damit geben wir ihnen Orientierung aus unseren konkreten Projekterfahrungen, so dass sie nicht bei null starten müssen und auch immer nachfragen können.

Wie profitieren Sie voneinander?
Da war einerseits das gute Archiv der LTB, dank dem wir Zugang zu den Plänen der bestehenden Masten und deren Fundamenten aus den Jahren des Baus von 1954 bis 1956 erhielten; dank diesen Unterlagen kann die Statik der Maste auf aktuelle Anforderungen geprüft werden. Zudem profitieren wir von den Erfahrungen, die LTB bereits mit der Deutschen Bahn gemacht hat hinsichtlich DB-Standards und DB-Vorschriften, die wir bisher nicht kannten. Desweitern nutzt die LTB  für die Planung des deutschen Teils der Bahnstromleitung eine komplett andere BIM-Tool-Landschaft als wir. Denn DB Energie möchte explizit zwei unterschiedliche BIM-Ansätze in diesem Projekt verproben. Am Ende werden wir und der Kunde daraus gelernt haben, welche Tool-Landschaft welche Vorteile und welche Nachteile hat – und wo sich aus beiden vielleicht sogar etwas verbinden lässt. Es sind viele Tools mit ständigem Datenaustausch und wir sehen dann, wie schnell oder kompliziert wir mit welchen Tools zum Ziel gelangen.

Kurt Kriesi
Kurt Kriesi, Leiter Leitungsbau bei BKW Grid- & Hydro-Engineering

Wie sich die Baubranche komplett digitalisieren lässt

Wie sich die Baubranche komplett digitalisieren lässt

Mit dem BIM+ Competence Center erforscht die BKW Gruppe den idealen Prozess zur digitalen Zusammenarbeit in Bauprojekten. Damit soll die Methode Building Information Modeling neu gedacht werden.

Unser Beitrag zur Nachhaltigkeit 

Mit unserem Handeln, unseren Produkten und Dienstleistungen tragen wir zu einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Umwelt bei. Die BKW entwickelt Lösungen für die Gestaltung von zukunftsfähigen Infrastrukturen und Lebensräumen. Dabei bekennt sie sich zu den Sustainable Development Goals der UNO. Mehr Infos zu unserem Nachhaltigkeitsmanagement finden Sie hier.

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