Zwei Schwergewichte verlassen das Kernkraftwerk

Die beiden Generator-Statoren des Kernkraftwerks Mühleberg (KKM) wiegen je 144 Tonnen. So viel wie rund 170 VW Käfer. Wie entfernt man diese enorm schweren Anlagenteile aus dem Maschinenhaus des KKM? Die Antwort mag überraschen: Denn erstmal bringt man dafür noch viel mehr Gewicht ins Kernkraftwerk.

Die Stilllegung des Kernkraftwerks Mühleberg (KKM) ist ein grosses Vorhaben. Das zeigt sich unter anderem an den Materialmengen, die im KKM schon demontiert worden sind. Nach gut elf Monaten Rückbau sind es über 3’000 Tonnen. Manches Material ist kleiner, wie etwa die Splitterschutzsteine, wobei diese dennoch zwischen vier und zwölf Tonnen auf die Waage bringen. Zum grösseren und schwereren Material zählen neben den Transformatoren auch die beiden Generator-Statoren. Während des Betriebs sorgten sie im Zusammenspiel mit den Rotoren für die Stromproduktion. Mit einer Höhe und Breite von jeweils fast vier Metern und einer Länge von fünfeinhalb Metern wiegen sie je 144 Tonnen, so viel wie 170 VW Käfer. Damit sind sie zu schwer, um mit dem Kran aus dem Maschinenhaus gehoben zu werden. Denn dieser ist «nur» auf 80 Tonnen ausgelegt.

Der Kran im Maschinenhaus ist auf 80 Tonnen ausgelegt und kann deshalb die 144 Tonnen schweren Statoren nicht heben. Photo: Keystone / Peter Klaunzer
Der Kran im Maschinenhaus ist auf 80 Tonnen ausgelegt und kann deshalb die 144 Tonnen schweren Statoren nicht heben. Photo: Keystone / Peter Klaunzer

Ein Gerüst nimmt Einzug im Maschinenhaus

Um also die zweimal 144 Tonnen aus dem Maschinenhaus zu entfernen, braucht es mehr. Konkret: ein Schwerlasthubgerüst. Dieses baut die Firma Hebetec aus Hindelbank auf. Das Unternehmen ist – wie der Name unschwer erraten lässt – auf Hebetechnik spezialisiert. Das Schwerlasthubgerüst wiegt alleine rund 240 Tonnen und nimmt mit seinen 63 Metern Länge, 18 Metern Breite und neun Metern Höhe fast das ganze Maschinenhaus für sich ein. Für Stabilität sorgen seine 46 Stützen. Nachdem es aufgebaut ist, überprüfen Mitarbeitende von Hebetec, dass es niet- und nagelfest ist. Erst dann befestigen sie den ersten Stator daran. Nun bewegt er sich langsam, acht Zentimeter pro Minute. Zuerst wird der Stator um zwei Meter angehoben, dann schwebt er vorwärts. Zwei Tage später gilt dasselbe für den zweiten Stator. Weil dieser auf einer Länge von über 60 Metern das ganze Maschinenhaus durchquert, ist er insgesamt 14 Stunden im wahrsten Sinne des Wortes «in der Schwebe».

Während 14 Stunden durchquert der Generator-Stator entlang des Schwerlasthubgerüsts das Maschinenhaus.
Während 14 Stunden durchquert der Generator-Stator entlang des Schwerlasthubgerüsts das Maschinenhaus.

Ohne Überprüfung kein Abtransport

Zum Schluss geht es noch zehn Meter nach unten, wo die 144 Tonnen auf den Anhänger eines Schwerlasttransporters gesetzt werden. Man stelle sich einen Autotransporter vor, auf dem nicht fünf oder zehn sondern ganze 170 VW Käfer stehen. So erstaunt nicht, dass der Schwerlasttransporter 18 Achsen und 124 Räder zählt.

Die 144 Tonnen werden auf den Schwerlasttransporter gesetzt.
Die 144 Tonnen werden auf den Schwerlasttransporter gesetzt.

Damit fährt er den Stator zunächst in eine Halle auf dem Areal des KKM. Bei der Ausfahrt aus dem Maschinenhaus und anschliessend in der Halle überprüfen ihn KKM-Mitarbeitende auf Radioaktivität. Wie sämtliches Material, das aus der sogenannten kontrollierten Zone stammt, also dem Bereich, in dem potenziell Radioaktivität vorhanden ist. Dazu gehört eben auch das Maschinenhaus. Erst wenn der Nachweis vorliegt, dass keine Radioaktivität am Stator vorhanden ist, darf er das Gelände des KKM verlassen.

Nun also fährt der Schwerlasttransporter mit dem Stator zur Recycling-Firma Thommen Group. Diese verarbeitet das Material der beiden Statoren. Sie trennt wiederverwertbares Material von Schadstoffen. Letztere sind der Grund, weshalb die Statoren nicht vor Ort demontiert werden. Bestandteile aus Kupfer und Stahl können wiederverwertet und dem Wertstoffkreislauf wieder zugeführt werden.

KKM-Mitarbeitende überprüfen den Generator-Stator sorgfältig auf Radioaktivität.
KKM-Mitarbeitende überprüfen den Generator-Stator sorgfältig auf Radioaktivität.

Im KKM bauen die Hebetec-Mitarbeitenden derweil das Schwerlasthubgerüst wieder ab. Weil auch dieses im Maschinenhaus gestanden hat, muss es ebenfalls sorgfältig auf Radioaktivität überprüft werden. Nach Abschluss der Prüfung kann auch das Schwerlasthubgerüst abtransportiert werden. Das KKM ist endgültig um 288 Tonnen leichter geworden.

Auf einem Schwerlasttransporter mit 18 Achsen und 124 Rädern rollt der Generator-Stator davon.
Auf einem Schwerlasttransporter mit 18 Achsen und 124 Rädern rollt der Generator-Stator davon.

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