Freizeit? Ein Fremdwort für Silvan Hofer

Seit vier Jahren ist Silvan Hofer Nationaltrainer des Swiss-Para-Snowboard-Teams. Er trainiert Snowboarderinnen und Snowboarder im Leistungsport, die trotz einer körperlichen Behinderung diesen Sport ausüben können. Dafür opfert der Industrie- und Baumaler der BKW jede freie Minute und jeden Ferientag.

Es ist neblig. Es ist kalt. Es ist garstig auf der Skipiste am Betelberg an der Lenk. Aus der Ferne hört man lachende Menschen und angeregte Gespräche. Wer sich durch die Nebelsuppe wagt, entdeckt am Start zum Boardercross unterhalb der Bergstation eine Gruppe cooler Snowboarderinnen und Snowboarder. Und mittendrin: Silvan Hofer. Der 43-jährige Bau- und Industriemaler der BKW in Wimmis hat ein zeitraubendes, aber erfüllendes Hobby. Er ist seit vier Jahren Nationaltrainer des Swiss-Para-Snowboard-Teams. Er trainiert Snowboarderinnen und Snowboarder, die trotz einer körperlichen Behinderung diesen Leistungssport mit Begeisterung ausüben. Er ist aber auch Motivator, Organisator, Administrator, Chauffeur* – kurz: Mädchen für (fast) alles.

Jede freie Minute fürs Hobby

Heute an der Lenk, dann im Saastal und wieder ein anderes Mal in Finnland, Schweden oder Spanien. Silvan Hofer ist viel auf Achse. Bleibt da noch Zeit für den Job? Er drückt es so aus: «Jede freie Minute wende ich für PluSport, das Kompetenzzentrum für Sport, Behinderung und Inklusion, auf.» In den Sommermonaten häuft Silvan Hofer viele Überstunden als Industrie- und Baumaler an. In dieser Funktion arbeitet er eng zusammen mit Ingenieuren und Werkstätten. So ist er zum Beispiel zuständig für spezielle Stahlbeschichtungen, etwa bei Wasserkraftwerken oder bei normalen Baumalerarbeiten.

Zurück auf die Piste. «An den sehr intensiven Trainingstagen bin ich jeweils der erste vor Ort», sagt Hofer. Er bereitet den Boardercross vor, dafür fährt er auch oft im Pistenbully mit. Und wenn dann die Athletinnen und Athleten eintreffen, fängt das eigentliche Coaching an. Und dieses geht Silvan Hofer jeweils mit vollem Elan an. «Meine Augen sind überall», sagt er. «Ich gebe Tipps, ob beim Start oder im Ziel. Dazwischen muss ich wieder Schnee schaufeln, an diesen Tagen bin ich sehr aktiv.»

Snowboarder

Mit Herzblut bei der Sache

Silvan Hofer engagiert sich als diplomierter Schneesportlehrer bereits seit rund 15 Jahren im Sport mit Menschen mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung, bei PluSport ist er seit rund acht Jahren tätig. Angefangen hat alles mit einem Zufall: «Ich lernte jemanden auf der Skipiste kennen, der Leute suchte, die Blinden zeigen, wie man Snowboard fährt. Das fand ich spannend.»

Pünktlich zur Mittagspause hat sich der Nebel verzogen. Die Snowboarderinnen und Snowboarder, sie trainieren an der Lenk zusammen mit Athleten vom Berner Snowboardverband BABE, bereiten auf einem Gaskocher ihr Mittagessen zu und lachen. Die Stimmung ist hervorragend – das hat auch mit der Anwesenheit von Silvan Hofer zu tun, der nicht nur selber mit vollem Elan bei der Sache ist, sondern diesen auch auf alle anderen überträgt. Das bestätigt Nadja Hartmann, die als Physiotherapeutin ein Teil des achtköpfigen Coaching-Teams ist. Sie schwärmt von Silvan Hofer in den höchsten Tönen: «Er hat unglaublich viel Geduld mit den Athleten, er ist ein grossartiger Teamplayer mit grosser Sozialkompetenz und schafft es jeden Tag aufs Neue, uns zu motivieren.»

Hobby oder Job?

Silvan Hofer ist nicht nur auf der Skipiste ein gefragter Mann, sondern auch daneben. Er ist Projektleiter Para Snowboard Breitensport, verantwortlich für die Ausbildung in allen Behinderungsfeldern (Körper/Geistig/Sehbehindert) bei PluSport. Daneben ist er Cheftrainer bei Swiss Paralympics Snowboard, Nationaltrainer Swiss Para Snowboard für Weltcup-, Europacup- und Qualifikationsrennen für die Paraolympischen Spiele sowie Ansprechperson für alle Skischulen in der Schweiz für Ski-Snowboard in Fragen Handicap. Ist das noch ein Hobby oder doch eher ein Zweitberuf? «Es ist ein Hobby», betont Silvan Hofer. Dass er im Sommer Überstunden machen und diese im Winter aufbrauchen könne, sei aber nicht selbstverständlich. «Ich danke der BKW und meinem Chef Anton Lötscher sehr, dass sie mir dies ermöglichen. Ich könnte mich nicht so stark engagieren ohne diese Unterstützung». Und was sagen seine Ehefrau und seine sechsjährige Tochter, dass er auch jeden Ferientag für seine Passion aufwendet? «Sie unterstützen mich sehr und haben viel Verständnis», sagt Silvan Hofer, der in Urtenen-Schönbühl lebt und tatsächlich noch Zeit findet, um ab und zu bei den Senioren des FC Wattenwil Fussball zu spielen.

Spirit überträgt sich auf alle

Wer Silvan Hofer zuhört, merkt: Da ist einer am Werk, der es versteht, auf die Menschen einzugehen und sie zu motivieren. Doch was macht er, wenn er selber mal Motivation braucht? «Es ist meine Vision, die mich immer wieder aufs Neue antreibt. Dass wir alle zusammen Grosses erreichen können, dass wir ein tolles Team sind mit einer grossartigen Gruppendynamik, das viel erlebt mit allen Höhen und Tiefen.» Und Silvan Hofer erklärt, dass Menschen ohne Behinderung viel von Handicapierten lernen können: «Ihre tägliche Motivation, ihre Begeisterungsfähigkeit, ihre Energie und Wertschätzung ist etwas, das wir manchmal vergessen.» Diese Einstellung motiviere ihn selber auch. Und dies wiederum bekommt auch der Arbeitgeber zu spüren: «Dass ich viele schöne Momente erleben darf, auf und neben der Skipiste mit meinem Team, gibt mir auch Elan, mich bei meinem Job bei der BKW voll zu engagieren.» Das ist dann eine klassische Win-Win-Situation.

Snowboarder

Im Rollstuhl – und trotzdem auf dem Snowboard

Eine der Athletinnen, die Silvan Hofer an der Lenk trainiert, ist Romy Tschopp. Die 27-jährige Baselbieterin kam mit einem offenen Rücken (Spina Bifida) zur Welt, ist auf den Rollstuhl angewiesen – und kann trotzdem Snowboard fahren. Wie ist das möglich? «Ich kann laufen, wenn auch eher wie ein Pinguin. Snowboard zu fahren habe ich schon als Mädchen gelernt. Damals war meine Behinderung noch nicht so ausgeprägt wie heute», sagt Romy Tschopp. Heute trägt sie einen härteren Schuh, der sie mehr stützt. «Das Team um Silvan Hofer unterstützt mich enorm, dafür bin ich sehr dankbar», sagt sie. Ihr ganz grosses Ziel: «Ich möchte im nächsten Jahr an den Paralympics in Peking teilnehmen.» Romy Tschopp wird derzeit von blick.ch begleitet, den aktuellsten Bericht gibt es hier zu lesen. Weitere Informationen zu PluSport gibt es unter plusport.ch.

*Das Swiss-Para-Snowboard-Team sucht einen Sponsor für einen neuen Teambus, der es in die Skigebiete führt. Interessentinnen oder Interessenten melden sich bitte beim Nationaltrainer Silvan Hofer ([email protected]).

Snowboarderin im Rollstuhl

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