Frau Meier und die Eisheizung

Es klingt wie ein Widerspruch. Doch es ist ein bewährtes System: Heizen mit Eis. Ein Mehrfamilienhaus in Kloten macht sich die vielversprechende Technologie zunutze und spart damit Kosten und CO2.

Margrit Meier wirft einen kritischen Blick auf das Geschehen auf der Baustelle am Bucheggweg in Kloten. Dann lächelt sie milde: «Es läuft alles nach Plan, aber man muss Präsenz markieren und mit den Arbeitern kommunizieren.» Die 76-jährige Seniorin ist die Herrin im Haus – im wahrsten Sinn des Wortes. Sie hat das neue Mehrfamilienhaus mit 14 Wohnungen im Herzen von Kloten eigenhändig auf einem Blatt Papier entworfen: «Ich wusste ja am besten, was ich wollte.» Und dann übernahm sie kurzerhand auch noch die Bauführung: «So lassen sich die Kosten optimieren», sagt sie und führt die Besucher in die helle Attikawohnung des Gebäudes: «Von hier sieht man über ganz Kloten – bis zum Rollfeld des Flughafens.»

Margrit Meier
Leicht fröstelnd: Margrit Meier vor Inbetriebnahme der Heizung im Treppenhaus des Neubaus. Foto: Sophie Stieger

Tatsächlich: Hinter den Häuserzeilen erkennt man den A380 der Singapore Airlines, wie er langsam zur Startpiste rollt. «Das ist das grösste Passagierflugzeug der Welt», sagt Frau Meier und zieht den Reissverschluss ihrer Jacke hoch. Noch sind im Neubau die Temperaturen wenig einladend. Doch schon bald wird sich dies ändern. Die ersten Mieter ziehen noch in den Wintermonaten ein – und dürfen sich dann nicht nur temperaturmässig über eine warme Atmosphäre freuen. Auch finanziell will die Vermieterin ein wohliges Gefühl vermitteln: «Eine Wohnung darf nicht zu viel kosten – gerade bei den Nebenkosten habe ich oft ein schlechtes Gewissen, wenn sie zu hoch ausfallen.»

Frau Meier heizt mit Eis

Aus diesem Grund hat sich Margrit Meier für ein modernes, ökologisches und innovatives Heizsystem entschieden – eine Eisspeicherheizung. Spätestens an dieser Stelle runzelt der Aussenstehende skeptisch die Stirn: Heizen mit Eis? Das klingt eher wie ein falsch getimter Aprilscherz als nach einer Technologie, die einen über die kalten Monate tragen soll. Frau Meier zeigt sich über diese Einwände erheitert: «Kommen Sie mit ins Untergeschoss. Herr Ibrahimi wird Ihnen alles erklären.» Afrim Ibrahimi ist der Abteilungsleiter Heizung der für das Heizungssystem verantwortlichen Inag-Nievergelt AG, eines Unternehmens der BKW Building Solutions. «Dieses Heizkonzept besteht aus drei verschiedenen Elementen: einer Wärmepumpe, thermischen Solarkollektoren, die auf dem Dach befestigt sind, und einem Eisspeicher im Keller.» Dieser Speicher dient als Energiereservoir für Zeiten im Jahr, wenn die Sonne allein nicht ausreicht, um die Häuser zu heizen. Dann holt sich die Wärmepumpe des Systems die Energie aus dem Eisspeicher.

Durch die präzise Abstimmung der drei Komponenten Eisspeicher und thermische Solarkollektoren der Walliser Firma Energie Solaire SA und Wärmepumpe der Firma Viessmann (Schweiz) AG arbeitet das Heizsystem äusserst effizient und damit auch mit niedrigen Betriebskosten. Fazit: Eisspeicherheizungen sind eine attraktive Lösung im Bereich der erneuerbaren Heizsysteme.

Eisspeicherheizungen
««Die Anlage weist eine grosse Rentabilität aus und verursacht geringe Unkosten.»»

Was kompliziert tönt, erklärt Ibrahimi in einfachen Worten: «Da die Wärmepumpe dem Wasser Energie entzieht, wandelt sich die Flüssigkeit nach und nach in Eis um und setzt in diesem Gefrierprozess Wärme frei – Wärme, die zum Heizen der Wohnungen genutzt werden kann.» Dabei handelt es sich um ein innovatives Konzept, das aber mit konventionellen und erprobten Komponenten umgesetzt wird. Ibrahimi führt aus: «Die Eisspeicherheizung ist die ideale Lösung für Neubauten und gut isolierte Gebäude. Ihr Wirkungsgrad ist im Idealfall sogar grösser als der einer geothermischen Wärmepumpe.» Was Frau Meier zusätzlich freut: «Die Anlage weist eine gute Rentabilität aus und verursacht geringe Unterhaltskosten.»

Schmelzen und Gefrieren

Das System funktioniert nach einem Kreislaufprinzip. Sobald die Solarkollektoren eine Temperatur im positiven Bereich aufweisen, bringen sie das Eis wieder zum Schmelzen. So wechselt der Aggregatszustand während des gesamten Winters: aus Eis wird Wasser, aus Wasser wird Eis. In den Sommermonaten dagegen wird der Speicher, in dem sich dann Wasser befindet, durch die Solarkollektoren aufgeheizt – mit dem Ziel, möglichst grosse Energiemengen für den Winter zu speichern.

Margrit Meier steht daneben und nickt zustimmend. Für sie sind diese Erklärungen weder neu noch schwer verständlich. Sie habe sich schon immer für diese Form der Energiegewinnung interessiert – seit ihr Mann in ihrem früheren Zuhause in Hombrechtikon den Dorfbach zur Energieproduktion habe nutzen wollen: «Doch dies funktionierte nicht, weil der Bach zu wenig Wasser führte und zu weit weg vom Haus war.» In Kloten ist Frau Meier auf keinen Bach angewiesen. Das Eisspeichersystem funktioniert tadellos. Deshalb könne sie nun die Nebenkosten für die Mieter von 350 auf 220 Franken senken: «Das gibt mir ein gutes Gefühl.» Ein gutes Gefühl gibt ihr auch, dass sie die Wohnungen weit- gehend CO2-neutral beheizen kann: «Wir sind  unabhängig von Öl, von Gas und von Holz. Wir verschwenden keine Ressourcen.» Sie wolle nicht nur reden, sondern auch handeln, sagt Frau Meier forsch. Bei aller Euphorie gibt Ibrahimi zu bedenken, dass das Eisspeicherdepot nicht für jedes Objekt geeignet ist: «Es braucht eine gewisse Grösse wie hier das Mehrfamilienhaus, damit es sich rechnet.» Am Bucheggweg in Kloten ist das System aber die perfekte Lösung.

Alternative zur Erdsonde

Fachmann Ibrahimi geht davon aus, dass Margrit Meier mit ihrem Flair für fortschrittliche Technologien einen Trend auslöst. In Deutschland beispielsweise ist das Verfahren bereits weitverbreitet. Das Stadtarchiv in Stuttgart wird mit einer Eisspeicherheizung betrieben. Sie sei die perfekte Alternative zu einer Erdsonde, sagt Ibrahimi: «Sie kostet gleich viel, die Leistung ist gleich hoch oder gar besser, und sie birgt weniger Risiken. Ich kann wirklich keine Nachteile nennen.» Interessant sei die Technologie auch für grosse Gewerbe- und Bürogebäude, weil die Abwärme, die zum Beispiel beim Kühlen der Computerserver entsteht, fürs Auftauen des Eisspeichers genutzt und dort gesammelt werden könne. Mit anderen Worten: Frau Meier am Bucheggweg in Kloten hat den heizungstechnischen Fortschritt zu ihrem persönlichen Standard gemacht.

Top of Kloten: Afrim Ibrahimi kontrolliert die thermischen Solarkollektoren auf dem Gebäudedach. Foto: Sophie Stieger
Top of Kloten: Afrim Ibrahimi kontrolliert die thermischen Solarkollektoren auf dem Gebäudedach. Foto: Sophie Stieger

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