Gastkommentar von Stefan Witschi, Leiter Verteilnetz-Management BKW, im energate messenger
Die Tarife sind ein wichtiges Instrument, um Anreize für eine effiziente Netzinfrastruktur zu setzen. Wer einen Anschluss an das Netz hat, kann es gemäss der «Dicke» seiner Anschlussleitung quasi ohne Einschränkung nutzen - der Netzbetreiber muss die Infrastruktur entsprechend zur Verfügung stellen, egal ob sie täglich oder nur gelegentlich benötigt wird. Zudem wählt der Strom den Weg des geringsten Widerstandes: Das Netz funktioniert nach elektrotechnischen Gesetzen und kümmert sich nicht darum, wer von welchem Kraftwerk Strom bestellt hat. Der Anschluss an ein Stromnetz gleicht einer Versicherung: Hat man ihn, kann man Strom jederzeit beziehen oder einspeisen.
Es stellt sich also im Wesentlichen die Frage, wie die hohen Fixkosten der Netzinfrastruktur auf deren Nutzerinnen und Nutzer umgelegt werden sollen. Wünschenswert ist eine Tarifierung, die möglichst verursachergerecht ist. Nur so können die richtigen Anreize gesetzt werden, die einen möglichst kostengünstigen und effizienten Netzausbau ermöglichen.
Bezogene Energiemenge sinkt, Leistungsbedarf des Netzes bleibt aber gleich
Konkret sieht der aktuelle rechtliche Rahmen vor, dass die Netznutzung der Niederspannungskunden bis zu einem Verbrauch von 50’000 kWh zu mindestens 70 Prozent auf Basis der bezogenen Energiemenge verrechnet wird. Dieses Tarifmodell führt nur dann zu einer verursachergerechten Verteilung der Netzkosten, wenn alle Kunden eine ähnliche Nutzung aufweisen und entsprechend auch identische Anschlussgrössen benötigen.
Doch diese Voraussetzung ist schon heute nicht mehr gegeben und wird immer weniger gegeben sein: Die Nutzung wird durch Eigenverbrauch differenzierter. Mit der Installation einer Photovoltaik-Anlage bezieht ein Nutzer in den Sommermonaten zeitweise keinen Strom aus dem Netz, während er im Winter in sein ursprüngliches Bezugsprofil zurückfällt. Während also die bezogene Energiemenge insgesamt sinkt, bleibt der Leistungsbedarf des Netzes gleich. Mit der Zunahme der E-Mobilität entsteht zudem neuer Leistungsbedarf im Netz. Also stehen Netztarife auf Basis der bezogenen Energiemenge zunehmend weniger in Relation zu den verursachten Netzkosten.
Daher muss die Tarifierung der Netznutzung an der Leistungsgrösse ansetzen. Dadurch entsteht ein vergleichsweise einfaches System, das jedem Verbraucher einen fixen Betrag gemäss seiner Anschlussleistung zurechnet. Die Netztarife werden also als fixer Jahresbetrag in Abhängigkeit von der installierten Leistung entrichtet, unabhängig davon, wieviel Strom über das Netz bezogen wird. Neben einer klaren Zuordnung der Netzkosten zu ihren Verursachern werden damit auch Anreize gesetzt, die Anschlussgrössen effizient zu (re-)dimensionieren. Entsprechende Ansätze werden zum Beispiel in den Niederlanden praktiziert und in Norwegen diskutiert.
Tarifierung nach Anschlussleistung: Weiterentwicklung des Zusammenschlusses zum Eigenverbrauch
Das Bundesamt für Energie argumentiert, dass das aktuelle Tarifmodell den Eigenverbrauch und die dezentrale Produktion unterstützt. Mit dieser indirekten Förderung nimmt es jedoch in Kauf, dass für teures Geld eine ineffiziente Infrastruktur gebaut wird und dass die Kosten zwischen Kunden mit/ohne Eigenverbrauch sowie mit/ohne Ladestation für Elektroautos umverteilt werden. Eine Tarifierung nach Leistung schliesst die Optimierungsmöglichkeiten für Eigenverbraucher aber nicht aus. Mit entsprechender Bewirtschaftung des Kapazitätsbedarfs am Netzanschluss haben sie weiterhin die Möglichkeit, ihre Netzkosten zu reduzieren.
Eine Tarifierung nach Anschlussleistung kann sogar als konsequente Weiterentwicklung des aktuellen Modells zum «Zusammenschluss zum Eigenverbrauch» gesehen werden, indem auch Kunden ohne Eigenverbrauch nicht einzeln, sondern auf Basis der Anschlusskapazität am Hausanschluss tarifiert werden. Dies eröffnet interne Optimierungsmöglichkeiten.