Ronald Trächsel, die Strompreise kannten 2021 nur eine Richtung: stark nach oben. Wie wirkt sich diese Entwicklung auf das Geschäft der BKW aus?
Ronald Trächsel: Grundsätzlich profitiert die BKW von ansteigenden Strompreisen. Im Jahr 2021 verzeichneten wir auf Stufe EBIT einen positiven Effekt von ungefähr 60 Millionen Franken. Dieser Effekt stammt aber von den Preiserhöhungen im Jahr 2019 her. Von den steigenden Preisen im Jahr 2021 werden wir dann aber vor allem ab dem Jahr 2024 profitieren. Dies, weil wir unsere Stromproduktion jeweils in etwa auf drei Jahre hinaus absichern. Im Kalenderjahr 2021 hatten die steigenden Strompreise eher einen negativen Effekt. Weil das Kernkraftwerk Leibstadt (KKL), an dem wir beteiligt sind, einen Monat länger stillstand als geplant, musste die BKW die bereits verkaufte Produktion zu Rekordpreisen nachbeschaffen. Aus diesem Grund liegen unser EBIT und der operative Reingewinn leicht unter dem Vorjahreswert, obschon die BKW Gruppe ihre Umsätze in allen Geschäftsbereichen um insgesamt 14 Prozent oder 425 Millionen Franken steigern konnte.
Im Jahr 2021 waren die hohen Preise an den Strombörsen also herausfordernd. Dies, nachdem in den vergangenen Jahren jeweils die zu tiefen Strompreise ein Problem waren. Wie müssen wir das verstehen?
Die Herausforderung bestand weniger in der absoluten Höhe der Preise, vielmehr waren es die enormen Schwankungen der Strompreise, die uns zu schaffen machten. Die Energiemärkte in Europa sind zurzeit sehr angespannt. Immer mehr Kapazitäten gehen vom Netz (Kernkraft und Kohle in Deutschland) und der Ausbau der neuen Erneuerbaren, der die Lücke schliessen sollte, kommt zu langsam voran. Externe Faktoren wie der Ausfall von Kernkraftwerken in Frankreich oder Versorgungsunsicherheiten aus Russland führen dann sofort zu grossen Verwerfungen. Zu gewissen Zeiten bezahlte man für 1 MWh Peak in Frankreich bis zu 2000 Franken.
Was waren die konkreten Effekte dieser Turbulenzen für die BKW?
Wenn die Energiepreise steigen, verändern sich auch unsere Positionen an der Strombörse. Da für den Handel an der Börse Sicherheiten hinterlegt werden müssen, stiegen mit den Preissteigerungen auch die Sicherheitsanforderungen der Börse und wir mussten ziemlich schnell viel Cash nachschiessen können, um handelsfähig zu bleiben. Aufgrund unseres gut funktionierenden Risikomanagement und eines leistungsfähigen Treasurys waren wir aber immer in der Lage, die entsprechenden Zahlungen zu leisten. Ein guter Teil dieser Hinterlegungen ist heute bereits wieder zurückgeflossen.
Ist die BKW den aktuellen und zukünftigen Risiken im Energiegeschäft gewachsen?
Ja, ganz sicher! Wir haben in den vergangenen Jahren mehrfach bewiesen, dass die BKW herausfordernde Situationen sehr gut meistern kann – dank der Dreisäulenstrategie und dem ausgebauten Risikomanagement. Die BKW ist robust aufgestellt. Die Strompreisentwicklung birgt Risiken, das haben wir immer gesagt und daher eine Strategie gewählt, die uns weniger davon abhängig macht. Aber die Strompreise sind auch eine Chance. Denn hohe Preise stützen unsere Wachstumsstrategie. Die BKW konnte im Berichtsjahr eine weitere Wachstumsphase einleiten. Wir werden sowohl im Energie- als auch im Dienstleistungsgeschäft zulegen.
Wie hat das Dienstleitungsgeschäft im vergangenen Jahr abgeschnitten?
Das Dienstleistungsgeschäft ist der Bereich mit der attraktivsten Kapitalrentabilität. Für jeden Franken, den wir in diesen Bereich investieren, beträgt die Rendite (ROCE) über zehn Prozent. Alle unsere Dienstleistungsgeschäfte konnten 2021 im Umsatz zulegen – der gesamte Geschäftsbereich hat eine Wachstumsrate von neun Prozent erzielt, und wächst damit schneller als der Markt. Der EBIT konnte überproportional zum Umsatz um 14 Prozent gesteigert werden. Erfreulich ist, dass aufgrund unserer breiten Kompetenzen vermehrt komplexe Aufträge, welche sich auch durch eine bessere Marge auszeichnen, gewonnen werden konnten.
Als dritte Säule und stabiler Anker hat die BKW Gruppe die Netze. Wie lautet das Fazit?
Das Netz hat sich gewohnt stabil gezeigt. Und wenn man den Effekt der Sonderzahlung an Swissgrid im Jahr 2020 neutralisiert, konnte das Netz mit einem Umsatzwachstum von zwei Prozent auf 540 Millionen Franken und einem um 14 Prozent höheren EBIT von 198 Millionen Franken erfreulicherweise sogar noch wachsen. Die Hauptgründe dafür sind der wegfallende Corona-Effekt sowie das etwas kältere Wetter.
Zum Schluss noch eine Frage zur Liquidität der BKW-Gruppe: Andere Konzerne aus der Branche hatten wegen den Turbulenzen an den Energiemärkten mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen. Wie sieht die Lage bei der BKW aus?
Die BKW ist liquiditätsmässig hervorragend aufgestellt. Per Ende Jahr betrug die Liquidität mehr als 1 Milliarde Franken. Die BKW war und ist zu jeder Zeit in der Lage, die ausserordentlichen Bewegungen an den Märkten aus eigener Kraft zu bewältigen.