Eiger, Mönch und Wankdorf. An kaum einem Ort hat man eine majestätischere Sicht auf die Berner Alpen als auf dem Dach des berühmtesten Fussballstadions der Schweiz. Und schweift der Blick auf den grünen Rasen, sieht man die Spieler des Schweizer Fussballmeisters beim Training. Marco Amiet lächelt und sagt: «Einen schöneren Arbeitsplatz kann man sich kaum vorstellen.»
Sonnenkraftwerk auf dem Stadion-Dach
Der 27-Jährige ist Leiter Service der ISP Electro Solutions AG im Energy Center in Solothurn. Dass er seinen Mitarbeitern Jonas Wächli und Rick Ziegler in luftiger Höhe Anweisungen gibt, hat einen simplen Grund: Auf dem Wankdorf-Dach steht seit 2005 eine 12‘000 Quadratmeter grosse Photovoltaikanlage, die von Amiet und seinem Team unterhalten wird. In ihrem Baujahr war sie die grösste der ganzen Schweiz – und auch heute liefert sie noch einen bemerkenswerten Teil zur Stromproduktion in der Bundesstadt. Allein im Jahre 2020 waren es zirka 1,4 Millionen Kilowattstunden, die ausschliesslich ins öffentliche Netz gespeist wurden. Damit konnten rund 400 Haushalte mit elektrischer Energie versorgt werden.
Dass das Resultat im Vorjahr die Erwartungen sogar noch übertraf, lag auch an der erstaunlich stabilen Wetterlage in Bern. Amiet rechnet vor: «Wir zählten in Bern 2150 Sonnenstunden; nur Sion und Locarno standen noch besser da.»
Jährliche Kontrolle
Doch nicht allein das Wetter entscheidet über die Effizienz der Stromgewinnung auf der imposanten Anlage. Nur wenn alle Module reibungslos funktionieren, kann das Maximum an Strom erzeugt werden. Starke Verschmutzungen oder Beschädigungen können zu Ertragseinbussen von zehn bis zwanzig Prozent führen. Deshalb nimmt das Service-Team von Amiet einmal pro Jahr eine Begehung vor, im Dreijahresrhythmus wird die gesamte Anlage im Rahmen eines Anlagenchecks auf Herz und Nieren geprüft – optisch wie mechanisch.
Wälchli und Ziegler sind spezialisiert auf diese Arbeit. Und sie bringen eine wichtige Voraussetzung für den Job auf dem Wankdorf-Dach mit: «Wir sind schwindelfrei. Höhenangst wäre eine schlechte Eigenschaft für uns», sagt Wälchli lachend. Trotzdem gelten klare Sicherheitsregeln: «Dacharbeit wird nur zu zweit durchgeführt», erklärt Ziegler, «deshalb ist es wichtig, dass wir als Team optimal funktionieren.» Im Rahmen der Instandhaltung werden die einzelnen Komponenten wie Wechselrichter, Solarmodule, Montagesystem, Generatoren-Anschlusskästen, Sensorik und die allgemeinen Elektroinstallationen überprüft.
Blütenstaub und Vogeldreck stören
Bei den Servicearbeiten geht es vor allem darum, den einwandfreien Betrieb der Anlage sicherzustellen und auf allfällige Probleme wie etwa verschmutzte oder defekte Module, Kabel und Stecker aufmerksam zu machen. Blütenstaub, Feinstaub oder Vogeldreck seien die häufigsten Ursachen für Verschmutzungen, so Wälchli: «Ist ein Teil des Moduls verdreckt, entsteht ein sogenannter Hotspot, der die Temperatur des filigranen Materials steigen lässt und das ganze Modul ausser Betrieb setzen kann.»
Sollten trotz sauberer Module und einer ordnungsgemässen Installation Minderleistungen erkennbar sein, können die Module auf von Auge unsichtbare Schäden wie Zellbrüche oder defekte Dioden geprüft werden. Hierzu setzen die Techniker eine sogenannte Thermographie-Kamera ein. Mit diesem subtilen Instrument können Probleme erkannt werden, bevor sie zu schwerwiegenden Schäden führen: «So minimieren wir das Risiko, dass Teile der Anlage länger ausfallen», sagt Amiet. Gegen die häufigste Ursache von Schäden an den Panels ist allerdings auch das Hightech-Gerät machtlos – Steinschläge, die von Vögeln verursacht werden. Wälchli erklärt: «Krähen und Raben lassen allerhand fallen – nicht selten auch Steine.»
Wer will Solar-Profi werden?
Wälchli lacht, wenn er dies erzählt. Überhaupt sind gute Laune und Teamspirit bei den Servicetechnikern deutlich spürbar. Für Marco Amiet ist dies kein Zufall: «Wir suchen gezielt Arbeitskräfte, die Jobs im Bereich der erneuerbaren Energien aus Überzeugung ausführen, die sich mit unserem Unternehmen identifizieren und aktiv dazu beitragen wollen, ihren Anteil zur Nachhaltigkeit zu leisten und die Lebensbedingungen für künftige Generationen zu optimieren.»
Trotzdem herrscht wie in vielen anderen handwerklichen Berufen ein grosser Fachkräftemangel. So befindet sich Amiet, der früher selber ebenfalls als Techniker gearbeitet hatte, fast permanent auf Personalsuche – und liefert Argumente für seine Branche: «Der Beruf des Servicetechnikers ist sehr abwechslungsreich. Er verbindet handwerkliches Geschick mit technischem Know-how. Unsere Türen sind für viele offen. Wer den Beruf des Elektrikers oder Elektroinstallateurs gelernt hat, besitzt optimale Voraussetzungen. Aber auch Quereinsteiger aus anderen Handwerksberufen sind hochwillkommen.» Im Zuge der Nachwuchsförderung bietet das Energy Center der ISP Electro Solutions AG Praktikumsplätze und Schnuppertage an: «Ich kann diesen Beruf nur wärmstens empfehlen», sagt Rick Ziegler.
Wartung von 63 Anlagen
Seine Worte kommen mit Überzeugungskraft. Er und seine Mitstreiter stehen auf der Sonnenseite des Berufslebens; im wahrsten Sinne des Wortes. Denn die Sonne ist eine unerschöpfliche Energiequelle – und das Solarstrompotenzial in der Schweiz gewaltig. Das Solarkraftwerk auf dem Wankdorf-Dach ist eine von 63 Anlagen des BKW Photovoltaik-Portfolios, die das ISP Electro Solutions AG Energy Center wartet: «Auch 16 Jahre nach Inbetriebnahme besitzt sie für unser Unternehmen Leuchtturmcharakter», sagt Amiet.
Gleichzeitig stellt er aber auch klar: «Für uns ist es egal, ob wir in einem Fussballstadion, auf einem Mehrfamilienhaus- oder einem Einfamilienhausdach arbeiten. Wir wollen allen Kunden die optimalen Bedingungen liefern, um den eigenen Solarstrom zu nutzen, zu speichern oder mit Mietern und Nachbarn zu teilen.»
Und trotzdem darf man auch ohne besondere Affinität für den Fussballsport festhalten: Wer auf dem Dach des Schweizer Serienmeisters arbeiten darf, spielt zweifellos in der Champions League des helvetischen Handwerks.
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