Le scarpe, per favore!» Maria Castaldi zeigt auf die Schuhe. «Wie bitte?» «Bitte Sicherheitsschuhe anziehen!» Wir besuchen den Windpark Castellaneta in Apulien, im Süden Italiens. Und weil es hier gefährliche Insekten und vielleicht Schlangen gibt, müssen wir die Sicherheitsschuhe anziehen, bevor wir aus dem Auto aussteigen.
Seit einem Jahr arbeitet Maria für die BKW in Italien. Aufgewachsen in Neapel, lebt sie heute in Rom. Die 51Jährige leitet ein Team von 73 Windtechnikerinnen und Windtechnikern, nur vier davon sind Frauen. Das Team kümmert sich um 754 Windräder in Süditalien. Ein Teil davon gehört der BKW, ein Teil Drittkunden. Nun sind die Sicherheitsschuhe angezogen. Bevor wir auf die Windturbine können, gibt uns Maria ein «Gstältli» – den Sicherheitsgurt. Und eine Sicherheitsinstruktion: Die Anweisungen des Technikers sind zu befolgen! «Und ganz oben auf dem Dach der Kanzel müsst ihr peinlich genau darauf achten, dass immer einer der beiden Karabiner, die am Gstältli befestigt sind, an den Sicherheitsschlaufen eingehängt sind.»
Wenn es um Arbeitssicherheit geht, hört für Maria der Spass auf. Im Auto hat sie soeben noch mit Emanuele Paolozza gescherzt, einem erfahrenen Windtechniker. Doch nun, am Fusse der Windturbine, wird ihr Gesicht ernst. «In meinem Team hat es Ehemänner, Familienväter, Töchter. Ich will, dass am Abend alle wieder zuhause bei ihren Familien sind.»


Atemberaubende Aussicht
Nun geht es mit dem ruckeligen Lift rund 90 Meter in die Höhe. Dann durch die enge Kanzel vorbei am Getriebe, durch die Luke hinaus ins Freie.
Die Aussicht auf die Hochebene Apuliens ist fantastisch. Der Blick hinunter auf den Acker, wo ein winziger Traktor gerade den Winterweizen aussäht, ist jedoch etwas schwindelerregend. Was hatte Maria unten auf dem Boden gesagt? Immer schön daran denken, dass einer der beiden Karabiner an den Sicherheitsschlaufen eingehängt ist! Auch Maria selbst geniesst den Ausblick: «Wenn ich hier oben bin, werden die Probleme des Alltags plötzlich klein.»

Steuerzentrale für 300 Windanlagen
Inzwischen sind alle wieder im Lift sicher von der Windturbine heruntergefahren. Im Auto kontrolliert Maria, ob auch der Fotograf auf dem Rücksitz angeschnallt ist. «Niemand fährt in meinem Auto mit, der nicht den Sicherheitsgurt angelegt hat», sagt sie. Die Strasse hat einige Schlaglöcher, es holpert. «Bei der Sicherheit habe ich ein Schweizer Herz.» Ihr Team arbeitet von vier Stützpunkten in der Nähe von Troia aus, einer Kleinstadt in der Region – und nicht zu verwechseln mit der berühmten Schwesterstadt in der Türkei. In Troia befindet sich auch der Kontrollraum, von dem aus die BKW ihre 42 Windparks mit über 300 Windanlagen in Europa steuert.
Gibt es bei einem der Windräder eine Störung, versucht Donato Narducci, der an diesem Nachmittag Dienst im Kontrollraum hat, das Problem von hier aus zu beheben. Beispielsweise, indem er die elektronische Steuerung der Anlage neu startet. Läuft dann das Windrad noch immer nicht, bietet er den zuständigen Techniker auf – egal ob sich dieser ganz in der Nähe in Süditalien, in Norddeutschland oder im Berner Jura auf dem Mont Soleil befindet.

Serviceleistungen für ganz Europa
Marias Team ist in den letzten Monaten stark gewachsen. Die BKW baut unter der Marke Arowya ihr Servicegeschäft im Windbereich stark aus. Dabei hat die BKW nicht nur den Vorteil, dass sie einen guten Ruf in Italien hat, sondern auch unabhängig von einem der grossen Windturbinenhersteller agieren kann. So warten die Mitarbeitenden von Arowya in Italien 18 verschiedene Windturbinenmodelle von fünf Herstellern. «Die Betreiber von Windparks arbeiten gerne mit uns zusammen, weil wir gute Arbeit machen und flexibel auf die Kundenbedürfnisse eingehen können», sagt Maria. Und was gute Arbeit bedeutet, ist im Windgeschäft einfach zu messen: Je mehr Stunden eine Windturbine ohne Störung läuft, desto besser ist offensichtlich die Arbeit der Servicetechniker. Und desto mehr Strom produziert die Anlage – was natürlich gut für den Umsatz ist.

Ausbildung direkt im Team
Der Markt für unabhängige Dienstleister wie die BKW wächst, das Geschäft läuft gut. Allerdings ist es auch in Italien schwierig, gut qualifizierte Mitarbeitende zu finden. «Viele von ihnen bilden wir selbst bei uns vor Ort aus», sagt Maria. «Dazu bauen wir gemischte Teams mit einem erfahrenen Techniker und einem jüngeren Kollegen auf.» Das funktioniere gut, sagt Maria: «Wenn jemand den Job auf der Turbine mag und ein technisches Verständnis hat, dann lernt er bei uns alles Wichtige.» Doch die Technik ist nicht alles: «Das Entscheidende bei unseren Mitarbeitenden sind die menschlichen Fähigkeiten», sagt Maria. «Denn oben auf dem Windrad muss man sich absolut aufeinander verlassen können.»

Gegen Ende des Tages kommen viele Mitarbeitende wieder zurück zur Werkstatt in Troia. «Ciao, va bene?», fragt Maria und begrüsst die meisten von ihnen mit dem Namen, schüttelt Hände, plaudert. Sie geniesst es, bei ihren Leuten zu sein und nicht nur vor dem Computer zu sitzen und Excel Sheets zu bearbeiten. Man spürt: Obwohl Maria erst seit einem Jahr bei der BKW arbeitet, ist die italienische Chefin mit dem Schweizer Herz im Unternehmen angekommen.