Bei jeder Elektroinstallation kann Streustrom vorkommen. Vereinfacht gesagt sind das Stromflüsse, die einen ungeplanten Weg ausserhalb des dafür vorgesehenen Stromkreises nehmen – sprich durch den Boden statt durchs Kabel fliessen. Solche Vorkommnisse rufen Befürchtungen hervor. Gerade bei Tierhaltungsbetrieben ist das Thema immer wieder aktuell.
Die BKW, die seit 125 Jahren Erfahrung mit Streustrom sowie Erdungskonzepten hat, nimmt diese Sorgen ernst – und gibt gleichzeitig Entwarnung: «Streustrom gibt es, seit die Menschheit Strom als Energieträger nutzt. Bei korrekter Handhabung und regelmässiger Kontrolle besteht kein Grund zur Sorge», sagt Philippe Rothermann, Leiter Netzbetrieb Planung & Engineering bei der BKW. In diesem Blog-Artikel beantwortet der Experte die acht brennendsten Fragen.
Was ist Streustrom und wie entsteht er?
In der Umgangssprache wird Streustrom auch Kriechstrom oder vagabundierender Strom genannt. Diese Begriffe implizieren Stromflüsse, die scheinbar ziellos und frei wie ein Vagabund durch den Boden kriechen. Nun, tatsächlich kann es bei allen Strominstallationen passieren, dass geringe Strommengen ausserhalb des dafür geschaffenen Stromkreises ihren Weg zurück ins Stromnetz suchen. Je grösser ein Gebäude ist und je umfangreicher und verteilter die Elektroinstallationen darin sind, umso eher kann es vorkommen, dass Strom über den Boden abfliesst, anstatt durch das dafür vorgesehene Kabel. Die Mengen dieser Streuströme sind sehr gering und für die Menschen im Gebäude besteht dadurch keine Gefahr. Denn jede Elektroinstallation muss von Gesetzes wegen über eine Erdung verfügen, die dafür sorgt, dass allfälliger Streustrom sicher und geordnet zurück ins Stromnetz fliesst (siehe dazu auch die Fragen: «Wie sehen die Lösungen aus?» und «Was ist das korrekte Vorgehen bei Streustrom?»).
Wo liegt das Problem bei Streustrom?
Streustrom lässt sich kaum vollständig verhindern. Doch bei einer vorschriftsgemässen Instandhaltung und regelmässiger Wartung der Elektroinstallationen verursacht Streustrom keine Probleme. Eigentümerinnen von Gebäuden müssen darauf achten, dass die Elektroinstallationen weder veraltet noch unsauber ausgeführt sind und die Kabel über eine gute Isolation verfügen. Zudem müssen sie von Gesetzes wegen regelmässig Kontrollen durchführen lassen (siehe dazu auch die Frage: «Welche Regeln und Gesetze gibt es?»).

Wie sehen die Lösungen aus?
Die wichtigste Lösung im Umgang mit Streustrom funktioniert – bildlich erklärt – wie ein Staubsauger, der den Streustrom entlang der Elektroinstallationen aufsaugt und dann auf geordneten Bahnen zurück ins Stromnetz bringt. Dieser Staubsauger trägt den Namen Erdung. Stark vereinfacht gesagt, besteht die Erdung aus einem Metallstück, das ähnlich funktioniert wie ein Blitzableiter. Die Physik erklärt das Phänomen mit dem Prinzip des geringsten Widerstandes, wonach der Strom immer genau dort durchfliesst, wo am wenigsten Widerstand vorkommt. Bei einer guten Erdung bietet das besagte Metallstück dem Streustrom im Boden einen solchen Weg des geringsten Widerstandes.
Was ist das korrekte Vorgehen im Umgang mit Streustrom?
Jeder Hausbesitzer, Betreiber eines Tierhaltungsbetriebs oder Eigentümer eines Gebäudes ist dafür verantwortlich, dass die Elektroinstallationen sicher und ordnungsgemäss betrieben werden. Um unter anderem das Risiko von Streuströmen zu minimieren, müssen Elektroinstallationen regelmässig durch einen zertifizierten Elektrokontrolleur überprüft werden. Die Anforderungen im Umgang mit Streustrom hängen stark von der Nutzung eines Gebäudes oder einer Anlage ab. Räume mit Wasser, wie Badezimmer, sind deutlich anfälliger als trockene Wohnbereiche. Grossbauten mit vielen Menschen, wie Spitäler, erfordern umfangreichere Sicherheitsvorkehrungen als kleinere Bauwerke wie ein Geräteschuppen. Besonders herausfordernd ist die Situation in Tierhaltungsbetrieben: Hier stehen Tiere oft auf nassen, leitfähigen Böden und kommen gleichzeitig mit metallischen Einrichtungen wie Tränken oder Melkmaschinen in Kontakt, was die Auswirkungen von Streustrom verstärken kann. Die regelmässige und fachgerechte Kontrolle der Elektroinstallationen ist daher unerlässlich. Bei ungewöhnlichen elektrischen Vorgängen, sichtbaren Schäden an der Hausinstallation oder Unsicherheiten sollte sicherheitshalber bereits vor der nächsten regulären Kontrolle ein Elektroinstallateur oder Elektrokontrolleur hinzugezogen werden.
Welche Regeln und Gesetze gibt es?
Es gibt jede Menge Gesetze und Normen – und Merkblätter für quasi jedes Gerät und jede Art von Leitung. In diesem Dschungel an Vorschriften kann die Übersicht realistischerweise nur mit der Hilfe eines Experten behalten werden. Wichtig ist daher, dass Installationsarbeiten nur durch Fachpersonen durchgeführt werden. Zudem sind Gebäudeeigentümer verpflichtet, ihre elektrischen Installationen regelmässig durch Fachpersonen überprüfen zu lassen. Die Häufigkeit dieser Kontrollen richtet sich nach der Nutzung des Gebäudes und dem jeweiligen Gefahrenpotenzial. Als Verteilnetzbetreiberin ist die BKW dazu verpflichtet, alle Eigentümer nach Ablauf der Kontrollperiode zur Einreichung eines Sicherheitsnachweises aufzufordern.
Welche Expertise hat die BKW im Umgang mit Streustrom?
Seit 125 Jahren baut, betreibt und unterhält die BKW eigene Trafostationen und Unterstationen. Während dieser Zeit hat das Unternehmen ein grosses Knowhow und Erdungskonzepte aufgebaut. Die BKW kennt die Lösungen und Normen und wendet diese kompromisslos an. Zudem kann sie Spezialmessungen für Erdungsanlagen selbst durchführen. Bei den Hausinstallationen ihrer Kundinnen arbeitet die BKW mit dem Verband Schweizerischen Elektrokontrolleure (VSEK) zusammen. Dieser Verband kümmert sich um die elektrischen Installationen von Haushalten oder Industrieanlagen und hat Fachpersonen, welche die Anlagen für den Betrieb freigeben sowie Kontrollen übernehmen. Innerhalb dieses Verbandes gibt es ausgebildete Experten für Streuströme in der Landwirtschaft.
Wie stark sind die unterirdischen Stromleitungen der BKW von Streustrom betroffen?
Die unterirdisch verlegten Stromleitungen, die von Netzbetreiberinnen wie der BKW gebaut und betrieben werden, sind weitestgehend gegen Streustrom geschützt. Denn unterirdische Stromleitungen haben – im Gegensatz zu den Strominstallationen in Gebäuden – einen Metallmantel, der sie umwickelt. Dieser Mantel sorgt dafür, dass die Kabel der Stromleitungen keinen Streustrom an die Umgebung abgeben, denn das Metall wirkt wie eine Erdung.
Wer kontrolliert die BKW?
Für jede Anlage, welche die BKW baut, muss sie sämtliche Planvorgaben beim Eidgenössisches Starkstrominspektorat ESTI eingeben. Dieser Schritt ist obligatorischer Bestandteil des Plan-genehmigungsverfahrens, wie das Baubewilligungsverfahren für elektrische Anlagen heisst. Das ESTI prüft bei jeder unserer Anlagen, ob sie konform ist mit allen Gesetzen und Verordnungen. Bevor die BKW eine Anlage in Betrieb nehmen darf, muss diese vom ESTI abgenommen werden. Zudem besteht die gesetzliche Auflage, alle zehn Jahre die Erdungsanlagen nachzumessen.