Stromversorgung, Klimawandel, Energiekrise – das sind die Themen der Stunde. Die Klimapolitik fordert einen raschen Ausbau erneuerbaren Energien. Gleichzeitig steigt der Strombedarf in der Schweiz durch die Elektrifizierung des Verkehrs und des Gebäudeparks weiter an. Zusammen mit dem Krieg in der Ukraine führt dies zu massiv gestiegenen und volatilen Strompreisen, welche insbesondere die Energieunternehmen vor hohe Herausforderungen stellen.

Was bedeuten die neuesten Entwicklungen für unsere Energieversorgung? Dieser Frage stellten sich Gäste aus Wirtschaft und Politik sowie der CFO der BKW, Ronald Trächsel, am BKW Energiegipfel vom Dienstag, 14. Juni. Rund 300 Gäste folgten der Einladung der BKW. Der Anlass wurde von Sonja Hasler, SRF, moderiert.

Gruppenbild
Die Gäste am Energiegipfel (v.l.n.r.): Kantonsrat Daniel Probst, Peter Grünenfelder, Regierungsrätin Brigit Wyss, Ständerat Pirmin Bischof, Sonja Hasler und Ronald Trächsel

Marktöffnung als Innovationstreiber in der Schweiz

Peter Grünenfelder, Direktor des Think-Tanks Avenir Suisse, eröffnete mit seiner Keynote den Anlass und rief zu einem Systemwandel auf. Die Probleme seien zwar mittlerweile erkannt, aber es gebe eine organisierte Unverantwortlichkeit in diesem Land, so Grünenfelder. Es brauche keine Symbolpolitik, sondern konkrete Massnahmen: «Der Weg in die Stromzukunft liegt darin, dass wir hausgemachte Probleme thematisieren und nicht die ganze Verantwortung weiter hin- und herschieben. Wir müssen den ideologischen Grabenkampf zwischen dem Naturschutz und dem Kapazitätsausbau lösen.»

Grünenfelder sieht in der Preispolitik den einzig richtigen Weg, die Energiekrise zu bewältigen und Innovationen im Strombereich zu fördern. Er ist überzeugt: Der Markt müsse sich selber regulieren und die bereits lange überfällige Öffnung des Strommarktes würde zu einem Aufschwung an neuen Zukunftstechnologien führen. Es gelte die Innovationsbedingungen zu verbessern. Peter Grünenfelder sieht die Verantwortung dafür bei den Privaten: «Die Unternehmen wissen, was die Technologien der Zukunft sind.»

Peter Grünenfelder
Keynote: Peter Grünenfelder, Direktor Avenir Suisse

Die BKW übernimmt ihre Teilverantwortung

Die Problematik der Stromversorgung sei mehr eine Frage der Verantwortlichkeit – denn Ronald Trächsel, CFO der BKW, ist überzeugt: «Lösungen können nur dann effektiv und effizient gefunden werden, wenn klar ist, wer die Verantwortung für die Versorgungssicherheit trägt.» Die grossen Stromunternehmungen, so auch die BKW, seien durchaus bereit, ihre Teilverantwortungen wahrzunehmen und ihre Kompetenzen zur Lösungsfindung einzubringen. Die BKW habe die nötigen Produktionsstätten, um die Stromversorgung in ihrem Versorgungsgebiet sicherzustellen. Aber ein weiterer Ausbau der erneuerbaren Energien (z.B. Wasserkraft) sei nur möglich, wenn die Politik die Rahmenbedingungen verbessert, fügt Ronald Trächsel an.

Erneuerbare Energie oder doch mehr Kernenergie?

Doch in welche Energiequellen soll überhaupt in Zukunft investiert werden, um ein Blackout zu verhindern? Ist der rasche Ausbau der Erneuerbaren realistisch? Dieses Thema diskutierte Sonja Hasler gemeinsam mit Ronald Trächsel und den Gästen – Regierungsrätin Brigit Wyss, Ständerat Pirmin Bischof und Kantonsrat Daniel Probst – auf dem Podium.

Die Schweiz habe in dieser Hinsicht eigentlich Glück, meinte Pirmin Bischof (Die Mitte). «Wir sind das einzige Land weit und breit, welches praktisch den ganzen Strom selber erzeugt.» Lange sei jedoch die drohende Stromknappheit im Winter nicht als Problem erkannt worden. Diese Abhängigkeit vom internationalen Strommarkt sei man schlicht zu spät angegangen.

Podiumsdiskussion
Podium (v.l.n.r.): Sonja Hasler (Moderation) mit Kantonsrat Daniel Probst, Regierungsrätin Brigit Wyss, Ständerat Pirmin Bischof und Ronald Trächsel

Als weitere Herausforderung wurde der steigende Stromverbrauch durch die Elektrifizierung thematisiert. «Jede Wärmepumpe ist grundsätzlich eine gute Sache für die Dekarbonisierung, braucht aber auch mehr Strom. Momentan haben wir viele Massnahmen geplant, die im Winter mehr Strom brauchen, obwohl wir dort jetzt schon eine Lücke haben», fasst Daniel Probst von der FDP pointiert zusammen.

«Jede Wärmepumpe ist grundsätzlich eine gute Sache für die Dekarbonisierung, braucht aber auch mehr Strom.»
Daniel Probst

Von den Erneuerbaren würde zwar viel gesprochen, aber die kurz- und mittelfristige Umsetzung sei hier schwierig, waren sich alle Podiumsgäste einig: Bei Wasserkraftwerken sei der lange Genehmigungsprozess eine Herausforderung und bei PV-Anlagen reiche das Potenzial bis 2025 schlichtweg nicht aus, um die Lücke der wegfallenden fossile Energiequellen zu schliessen. «Wir müssen die vorherrschende Verfahrensmentalität in diesem Land beseitigen», kritisiert Pirmin Bischof. Ronald Trächsel stimmte dem zu – Wind und PV seien zwar marktfähig, aber das Genehmigungsverfahren und die Baudauer enorm lange.

Pirmin Bischof brachte daraufhin auch das Thema Kernenergie auf: «Wir haben das Glück, dass wir im Gegensatz zu Deutschland die Kernkraftwerke noch nicht abgestellt haben. Wir können heute alle nur hoffen, dass wir in den nächsten zehn Jahren grössere Ausfälle mit den vier bestehenden Kernkraftwerken in der Schweiz auffangen können.» Die Grundstimmung habe sich zum Glück geändert, denn ohne Kernkraft wäre die drohende Stromlücke noch um ein Vielfaches grösser. Regierungsrätin Brigit Wyss von den Grünen zeigte sich versöhnlich: «Die Kernkraftwerke laufen zu lassen, das ist ein stiller Kompromiss.»

Pirmin Bischof
Ständerat Pirmin Bischof

Brigit Wyss unterstrich zudem die wichtige Rolle der Unternehmen: «Ich glaube, wir unterschätzen die Innovationskraft, die wir in der Schweiz haben.» Denn die Schweiz sei in Sachen Innovation weltweit führend und es gebe so viele gute Betriebe. Sie appelliert darüber hinaus an die Gemeinden und die Kantone, über die eigenen Bücher zu gehen und zu Investitionen im Inland zu motivieren.

Richtiger Mix von Massnahmen kann Blackout verhindern

Die Auslegeordnung der Handlungsfelder, welche am Event gemacht wurde, zeigt auf: Die Zusammenhänge sind komplex und es gibt keine einfachen Antworten auf die aktuellen Herausforderungen. Klar ist, dass alle Lösungswege aus der drohenden Energiekrise nach dem richtigen Mix von Rahmenbedingungen, Interessenskompromissen sowie Innovationskraft der Schweizer Industrie und Energieversorger verlangen.

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