Heute ist die Lonza ein kleiner Fluss. Gemächlich fliesst sie zwischen Wiler und Kippel im Lötschental im Kanton Wallis durch die Winterlandschaft, es ist friedlich. Das ist nicht immer so. «Seit der Inbetriebnahme des Kraftwerks vor drei Jahren haben wir schon einige Hochwasserereignisse erlebt», erzählt Patrick Manz, ehemaliger Projektleiter beim Bau des Wasserkraftwerks Wiler-Kippel. Zusätzlich befindet sich die Wasserfassung im Gefahrenperimeter für Nassschneelawinen. Mittels geeigneter baulicher Massnahmen am Fassungsbauwerk und einer Bachumleitung habe das potenzielle Schadenausmass durch Hochwasser und Lawinen deutlich reduziert werden können. «Wir nutzen das Wasser hier zur Stromproduktion. Die Infrastruktur dafür ist ein Eingriff in die Natur. Wir müssen diesen Eingriff kompensieren, aber die Infrastruktur auch gleichzeitig vor Naturgefahren schützen.»

Wasserfassung in Winterlandschaft, im Hintergrund das Dorf Wiler.
Seit Herbst 2021 produzieren die Kraftwerke Wiler-Kippel AG, eine Partnergesellschaft der BKW und der Gemeinden Wiler und Kippel, mit dem Wasserkraftwerk Wiler-Kippel Strom für 2'800 Haushalte. Im Bild die Wasserfassung des Kraftwerks.

Ersatzmassnahmen kompensieren den Eingriff in die Natur

Das Natur- und Heimatschutzgesetz (NHG) verlangt, dass Schäden an natürlichen Lebensräumen durch technische Eingriffe möglichst vermieden und sonst durch angemessene Ersatzmassnahmen ausgeglichen werden sollen (siehe Art. 18 Abs. 1ter NHG). Im Fall des Wasserkraftwerks Wiler-Kippel wurden verschiedene Massnahmen am linken Flussufer umgesetzt, um die für das Kraftwerk und den Hochwasserschutz nötigen Eingriffe auszugleichen.

«Ein Projektgesuch ist nur bewilligungsfähig, wenn es Massnahmen zur Kompensation der Eingriffe in die Natur beinhaltet.»
Patrick Manz, Projektmanager Wasserkraftwerke

Der ehemalige Campingplatz von Kippel, der wegen der Hochwassergefahr geschlossen werden musste, wich so einem neuen Nebenarm des Flusses. Dafür wurde das Gelände zuerst von der Belastung durch Bleirückstände befreit. Dazu wertet ein neu geschaffener Nebenarm Fluss und Ufer ökologisch auf. Ähnliche Massnahmen, nämlich einen weiteren Nebenarm sowie die Schaffung neuer Biotope, realisierte die Kraftwerke Wiler-Kippel AG weiter oben an der Lonza. So konnten neue Lebensräume entlang des Flusses geschaffen, die Vorgaben des Gesetzes eingehalten und das Projekt schlussendlich umgesetzt werden, das nun pro Jahr Strom für rund 3'200 Haushalte produziert.

Lonza mit neuem Nebenarm in der Winterlandschaft.
Links an der Lonza stand hier früher der Campingplatz Kippel. Die am Ufer sichtbaren Bäume stehen nun auf einer kleinen Insel zwischen der Lonza und einem neuen Nebenarm, der im Winter wegen der geringen Wassermenge bloss ein Rinnsal ist.

Einigung für Massnahmen ist nicht immer einfach zu finden

Es ist nicht immer einfach, geeignete Ersatzmassnahmen zu finden. So sei zum Beispiel beim Wasserkraftwerk Sousbach im Lauterbrunnental, das sich noch im Bau befindet, keine Kompensation direkt an der Stelle des Eingriffs möglich gewesen. «Der Sousbach befindet sich in einem steilen und ökologisch wertvollen Gebiet. Eine erdverlegte Druckleitung wurde als nicht bewilligungsfähig beurteilt, weshalb wir den Triebwasserweg im Berg gebaut haben. Grössere Ersatzmassnahmen im Projektperimeter waren nicht möglich», sagt Patrick Manz, der auch dieses Projekt leitet. So wurde als Ersatz für den verlorenen Lebensraum der Bachforelle im Sousbach ein rund 280 Meter langer Abschnitt an der Weissen Lütschine in Lauterbrunnen aufgewertet. Herausfordernd sei es manchmal auch, die Zustimmung derjenigen zu erhalten, auf deren Grund die Ersatzmassnahmen umgesetzt würden. Wenn keine Einigung gefunden werden kann oder Einsprachen drohen, kann sich ein Projekt weiter verzögern.

Skizze des Wasserkraftwerks Sousbach
Das Wasserkraftwerk Sousbach im Lauterbrunnental befindet sich seit 2020 im Bau und soll noch dieses Jahr in Betrieb genommen werden. Ersatzmassnahmen konnten bei diesem Projekt nicht vollständig im Projektperimeter vorgenommen werden.

Ausgleichsmassnahmen sind zusätzlich durch das Stromgesetz eingeführt worden

Eine Verzögerung der Projekte gefährdet die Ausbauziele für Erneuerbare und somit das Netto-Null Ziel bis 2050. Auch die BKW ist an Einigungen mit allen Beteiligten interessiert, damit ihre Projekte zeitnah umgesetzt werden können. Sie begrüsst folglich, dass im Fall der Vergrösserung des Grimselsees im sogenannten «Grimsel-Dialog» eine Einigung zu Ersatzmassnahmen zwischen der Betreiberin KWO, an welcher die BKW zu 50% beteiligt ist, sowie den Umweltschutzverbänden und dem Kanton Bern gelungen ist.

Somit steht zum ersten Mal schweizweit ein nächster Schritt an: Es müssen nun noch Ausgleichsmassnahmen definiert werden. Ausgleichsmassnahmen sind Massnahmen mit ökologischem oder landschaftlichem Mehrwert, welche zusätzlich zu den gesetzlich vorgeschriebenen Ersatzmassnahmen vereinbart werden. Sie sollen zu einem naturpositiven Einfluss des Projekts führen und gelten nur für die 16 Wasserkraftprojekte für zwei Terawattstunden zusätzlichen Winterstrom, für die im Stromgesetz eine rasche Umsetzung vorgesehen ist. Die Verhandlungen für die zusätzlichen Ausgleichsmassnahmen sind anspruchsvoll, denn es gibt bis anhin keine klaren rechtlichen Rahmenbedingungen wie bei den Ersatzmassnahmen oder Präzedenzfälle aus der Praxis, auf die man sich stützen kann. Eine baldige Einigung ist jedoch wichtig für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts – gelingt sie nicht, droht auch hier eine Verzögerung oder gar Blockade.
 

Baustelle und leerer Grimselsee in Winterlandschaft
Die BKW will mit der KWO die Staumauern des Grimselsees, wovon eine aktuell erneuert wird, erhöhen und so 240 GWh mehr Speicherkapazität schaffen. Zusammen mit dem Projekt Trift treibt die BKW gleich zwei grosse Projekte für mehr Winterstrom aus Wasserkraft voran. Bild: KWO / David Birri

Könnten Massnahmen und Projekt künftig getrennt werden?

Bundesrat und Parlament wollen, dass erneuerbare Energien schneller ausgebaut werden können. Deshalb beraten National- und Ständerat aktuell den sogenannten Beschleunigungserlass (23.051). Das Parlament hat nun auch die Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen ins Auge gefasst. Neu sollen diese vom Projekt getrennt und wenn nötig gar an den Kanton delegiert werden können, die Kraftwerksbetreiber würden sie weiterhin finanzieren. In der kommenden Frühjahrssession berät der Nationalrat darüber.

Die BKW bevorzugt partnerschaftliche Einigungen, welche die verschiedenen Interessen rund um Wasserkraft zusammenbringen. So ist sie auch weiterhin optimistisch, dass dem «Grimsel-Dialog» eine erstmalige Einigung zu den zusätzlichen Ausgleichsmassnahmen gelingt. Im Falle einer drohenden Blockade des Projekts könnte jedoch die Trennung der Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen vom Bauprojekt beschleunigend wirken und den Ausbau der Erneuerbaren wie geplant vorwärtsbringen.

Projekt zur ökologischen Sanierung der Wasserkraftwerke

Mit rund 40 Projekten saniert die BKW ihre existierenden Wasserkraftwerke und bringt auch diese besser in Einklang mit der Natur. Das revidierte Gewässerschutzgesetz verlangt diese ökologische Sanierung. Bis voraussichtlich 2030 stellt die BKW die freie Fischwanderung bei allen Kraftwerken sicher. Zusätzlich verbessert sie die Beeinträchtigungen durch Schwall und Sunk sowie den Geschiebehaushalt unterhalb der Kraftwerke.

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