Gemäss der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) liefern Flugzeuge normalerweise über 700’000 Messwerte pro Tag – und das aus praktisch allen Ecken der Welt. Die Sensoren, mit welchen die Jets ausgestattet sind, messen unter anderem Temperatur, Druck und teilweise auch Luftfeuchtigkeit und Turbulenzen. In Europa sind es gewöhnlich rund 50’000 Messungen pro Tag. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) zum Beispiel füttert sein globales Modell «Icon» jeden Tag mit rund 5.3 Millionen Messwerten. Diese stammen zwar zu mehr als 80 Prozent von Satelliten, allerdings auch zu 10 Prozent von Flugzeugen. Wegen Corona fallen gemäss Meteo Schweiz in Europa rund 80 Prozent der Flugzeugdaten weg. Global gesehen sind es etwa 60 Prozent weniger Messwerte. Alle anderen Daten – etwa von Bodenmessstationen, Satelliten, Schiffen und Bojen – sind jedoch wie gewohnt verfügbar.

Flugzeug am Himmel
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Wetterballone schliessen teilweise die Datenlücke

«Eine Untersuchung des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage hat gezeigt, dass die fehlenden Daten die Qualität der Prognosen insbesondere im Höhenbereich von 10 bis 12 Kilometern verschlechtern», sagt Daniel Gerstgrasser von Meteo Schweiz in Schweizer Medien. «Betroffen davon ist vor allem die Wind- und Temperaturprognose in dieser Höhe. » Wären gar keine Flugzeugdaten mehr vorhanden, so wäre die Prognosequalität etwa um 15 Prozent reduziert. «Es ist nicht so, dass die Systeme total schlecht wären ohne Flugzeugdaten», sagt Detlev Majewski, Leiter der DWD-Abteilung für meteorologische Analyse und Modellierung, dem deutschen Nachrichtenmagazin der Spiegel.

Um die Datenlücken in der Schweiz zumindest teilweise zu schliessen, wurde die Anzahl der täglich aufsteigenden Wetterballone von zwei auf vier verdoppelt. Die Ballone steigen vom Boden bis in circa 20 oder 30 Kilometer Höhe auf und messen alle hundert Meter Temperatur, Luftfeuchte, Luftdruck, Windgeschwindigkeit und Windrichtung. Auch die Nachbarländer der Schweiz führen zusätzliche Tests durch.

Was hat nun der Stromhandel damit zu tun?

Das Wetter ist eine Variable, welche den kurzfristigen Strompreis beeinflusst – also in erster Linie die Intraday- und Day-Ahead-Preise. Der Einfluss kann aber auch weiter hinausreichen. Um die Strompreise mit unseren Strompreismodellen möglichst genau zu prognostizieren, beziehen wir Wetterprognosen von verschiedenen Anbietern. Diese werden dann zusammen mit anderen für den Strom relevanten Variablen in einer Modellrechnung in Betracht gezogen.

In die Kategorie Wetter fällt zum Beispiel, wie viel Wind und Sonne ins System kommen, wie der Stromverbrauch gemäss Temperaturvorhersage ausfällt oder auch, ob es regnen oder schneien soll oder ob der Schnee schmilzt und Schmelzwasser aus den Bergen mit sich bringt.

So gibt es Phasen, in welchen das Wetter eine grosse Rolle für die Strompreise und deren Prognose spielt, manchmal gibt das Wetter sogar den Ton an. Es gibt aber andere Phasen, in welchen das Wetter überschattet wird von anderen Faktoren – beispielsweise von der Verfügbarkeit traditioneller thermischer Kraftwerke oder Grenzflüssen.

Stromhandel im 15-Minuten-Takt

Sehr stark vom Wetter sowie Prognosen abhängig ist auch die Produktion von Windenergie. Die BKW ist Mehrheitsaktionärin des Start-ups Wind Energy Trading WET AG in Lausanne, die Firma ist spezialisiert aufs Management von Windparks und aufs Intraday-Trading. Julian Göhler, Managing Director, konnte keine Verschlechterung der Prognosen feststellen. Zumindest nicht für den kurzfristigen Bereich bis 36 Stunden, in dessen Zeitraum WET mit Windenergie handelt.

Julian Göhler vor den Schirmen der Händler der WET AG in Lausanne.
Julian Göhler vor den Schirmen der Händler der WET AG in Lausanne.