Gegenwärtig ist viel die Rede von ressourcenschonendem Verhalten und von nachhaltigem Leben. Stromspartipps machen die Runde, Elektroautos werden angeschafft und der persönliche ökologische Fussabdruck lässt sich mit einer App ganz einfach berechnen. Jede Verhaltensänderung, die im Alltag dazu beiträgt, Klima und Umwelt zu schonen, hat ihre Wirkung. Aber den grössten Hebel gibt es in der Bauwirtschaft. 35 bis 40 Prozent aller klimaschädlichen Emission kommen aus dieser Branche, rund 60 Prozent des weltweiten Ressourcenverbrauchs werden für das Bauen verwendet. Diese Zahlen nennt Clément Dupin, Leiter des BKW Innovation Center, im Gespräch. Und da kommt seine Abteilung ins Spiel, die vor rund zwei Jahren aus dem Engineering Netzwerk der BKW entstanden ist, um Wissenschaft, Wirtschaft, Technik und Kunden miteinander zu verbinden. «Unser Ziel ist es, die Zukunft des Bauens neu zu prägen und entsprechende Lösungen zu entwickeln», sagt Clément Dupin.

«Net Zero Climate Solutions»

Als konkretes Beispiel einer Aufgabenstellung, die an das Innovation Center herangetragen wird, nennt Clément Dupin einen Autohersteller, der seine gesamte Produktion nachhaltiger machen will. Der CO2-Ausstoss der Fabrik soll, so die Zielvorgabe, fast vollständig reduziert werden. «Hier haben wir den grundsätzlichen Ansatz der Elektrifizierung gewählt, wobei nur Strom aus nachhaltigen Quellen zur Anwendung kommt», erklärt er die Herangehensweise. Eine grundlegende Herausforderung bei diesem Projekt sei die Frage, wie der saubere Strom beschafft und bewirtschaftet werde. «Wir müssen also auch eine passende Beschaffungsstrategie entwerfen.» Unternehmen, die nachhaltiger werden wollen, und das sind heutzutage nahezu alle, müssten sich daher nicht nur technische und bauliche, sondern auch organisatorische Fragen stellen, die vielfach fast schwieriger zu beantworten seien. Das BKW Innovation Center kann dank dem Netzwerk aus beratenden Ingenieuren und Planern in den Bereichen Energiewirtschaft, Elektrotechnik, Versorgungstechnik und Anlagenbau die Potenziale für eine wirtschaftliche und CO2-freie Versorgung aufzeigen. «Genau an dieser Schnittstelle von Energie und Bauen ist das BKW Innovation Center mit seinen Net Zero Climate Solutions gefragt. Das kann sonst niemand im DACH-Raum», umreisst Clément Dupin den Vorteil seiner Abteilung.

Clément Dupin
Clément Dupin

Ein zweites, komplett anders gelagertes, aber auch typisches Beispiel eines Auftrags für das BKW Innovation Center ist im Skisport angesiedelt. «Da haben wir den Auftrag bekommen, für die Weltcup-Speedrennen in Zermatt/Cervinia, die an den Wochenenden vom 29./30. Oktober und 5./6. November stattfinden werden, ein besonderes Starthaus zu entwickeln», sagt Clément Dupin. Die Anforderung sei gewesen, dass das Gebäude, das auf dem Gletscher installiert wird, leicht und schnell auf- sowie abbaubar sei, dem Wind widerstehe und aus nachhaltiger Produktion stamme. Das Resultat lässt sich sehen: Das Starthaus ist aus einer pneumatischen Hülle gefertigt, bei deren Herstellung komplett auf Erdöl verzichtet werden konnte. Ausserdem handelt es sich um das erste Starthaus, das mit Solarstrom betrieben wird. Dafür kommt eine Photovoltaikanlage zum Einsatz. Damit wird gleich dreifach Geschichte geschrieben: Zum ersten Mal finden Weltcuprennen am Matterhorn statt, führen die Rennen durch zwei Länder (Schweiz und Italien) und liefert das BKW Innovation Center das Starthaus.

Vogelperspektive auf einen Workshopraum mit Menschen
In der Ideenfabrik

Mischung aus Think-Tank und Start-up

Das BKW Engineering Netzwerk wurde ab 2015 als zusätzliches Standbein der BKW aufgebaut, zum Teil mit Akquisitionen, aber auch durch organisches Wachstum. Gegenwärtig gehören rund 50 Firmen mit etwa 3500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dem Netzwerk an. Als eine Mischung aus Think-tank und Start-up kann das BKW Engineering Innovation Center bezeichnet werden. Dabei werden Wissen, Innovationsfreude, Analyse, Tempo und Neugier miteinander verbunden und in Einklang gebracht. «Die Lust, neue Wege zu finden und zu gehen, die Leidenschaft und die Freude an Neuem treiben uns täglich an», beschreibt Clément Dupin seine Motivation. Er arbeitet mit seinem Team für konkrete Projekte mit Fachleuten aus dem Engineering Netzwerk. Für die Entwicklung von Innovationen und Visionen steht in Metzingen (D) als physischer Treffpunkt eine alte umgebaute Giesserei zur Verfügung. Dort, wo früher Teile für die nahe Automobilindustrie in Stuttgart hergestellt wurden, entstehen heute neue Ideen für die Nachhaltigkeit in der Bauwirtschaft.

«Bei unserer Arbeit ziehen wir je nach Problemstellung über unser eigenes Netzwerk hinaus auch externe Spezialistinnen und Spezialisten aus Start-ups, Hochschulen oder Drittunternehmen hinzu», erklärt Clément Dupin. Das Innovation Center hat die Funktion, Expertinnen und Fachleute aus allen Bereichen zusammenzubringen. «Wir koordinieren disziplinenübergreifend und koppeln die Sektoren.» In Abstimmung mit den Kunden analysiere das Innovation Center von BKW Engineering die jeweilige Herausforderung und stelle dann das beste Team zusammen, um die Aufgabe zu meistern. «Eine wichtige Funktion kommt auch dem Beirat zu, der uns in wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Fragen unterstützt und Marktchancen sowie Innovationspotenziale abklärt.» Dem Beirat gehört zum Beispiel Christoph Ingenhoven, Gründer von ingenhoven architects und Verfechter von Greenbuilding, an. Oder auch Werner Sobek, Bauingenieur und Architekt, emeritierter Professor und Experte für Nachhaltigkeit.

Zuerst das Problem verstehen und die Ausgangslage ermitteln

Bei jedem Projekt, mit dem sich das BKW Innovation Center beschäftigt, wird zuerst die Ausgangslage ermittelt, wie Clément Dupin ausführt. «Dabei geht es unter anderem zum Beispiel um die Platzverhältnisse und den ökologischen Fussabdruck.» Aber auch die Kosten seien immer im Auge zu behalten. Unter Berücksichtigung aller Parameter erarbeitet das BKW Innovation Center dann eine Lösung und wählt für deren Umsetzung die technischen Möglichkeiten aus. «Dabei orientieren wir uns pragmatisch an der optimalen und nicht an der maximalen Lösung», erklärt der Leiter des BKW Engineering Innovation Center. Ein Projekt müsse schliesslich immer auch bezahlbar und im Betrieb wirtschaftlich sinnvoll sein.

Viele der möglichen Herausforderungen lassen sich laut Clément Dupin dank der Unterstützung digitaler Hilfsmittel schon in der Planungsphase durchspielen und auf die Projekte übertragen. Insgesamt fallen auf diese Weise noch keine hohen Kosten an. Beim Bauen werde dann beispielsweise darauf geachtet, dass man mit weniger Material auskomme und dass das Abbruchmaterial recycliert und wiederverwendet werde. Stichworte: Kreislaufwirtschaft und Dekarbonisierung zur Reduktion von CO2 als übergeordnetem Ziel. Zudem werde auch Wert auf die Verwendung von ressourcenschonenden Baumaterialien und auf die Schaffung von Grünflächen gelegt. «Unsere Innovationen stellen wir in unserem internen Netzwerk natürlich allen Firmen zur Verfügung», erläutert Clément Dupin. Das seien Dienstleistungen und Produkte, die bei der Suche nach neuen Lösungen entstanden seien. Aus Sicht der Kunden sei es auch ein Vorteil, dass sie mit dem BKW Engineering Innovation Center nur einen einzigen Ansprechpartner hätten. «Wir suchen dann in unserem Netzwerk nach den richtigen Partnern für die sinnvollsten und nachhaltigsten Lösungen und machen die Unternehmen zukunftsfähig.»

In erster Linie spricht das Innovation Center von BKW Engineering mit seinem Angebot grössere Firmen an, für die massgeschneiderte Lösungen gesucht und gefunden werden. «Wenn sich aber eine gute Lösung skalieren und wiederverwenden lässt, dann wollen wir sie auch kleineren Kunden oder Privatpersonen anbieten», blickt Clément Dupin in die Zukunft. «Es ist auf jeden Fall eine faszinierende Aufgabe, im Auftrag unserer Kunden Tag für Tag die Zukunft hinsichtlich Planung und Bauen aktiv und nachhaltig mitzugestalten.»