Volker Lischke, wie stellen Sie die Funktionsfähigkeit der Handelsabteilung während der Coronakrise sicher?

Volker Lischke: Wir haben bereits Ende Februar die komplette Abteilung in zwei gleich grosse Gruppen aufgeteilt – und die eine Hälfte zum Remote-Working nach Hause geschickt. Die andere Hälfte blieb im Trading-Floor am Hauptsitz in Bern. Seitdem haben wir die Anzahl der Mitarbeitenden vor Ort weiter reduziert. Doch es braucht eine Minimalbesetzung, die weiterhin im Office arbeitet, da dies organisatorische und kommunikative Dinge erheblich erleichtert.

Der Handel darf auch in diesen trüben Tagen keine Sekunde stillstehen. Weshalb?

Viele Leute denken beim Stichwort Stromhandel sofort an den Grosshandel mit vielen Bildschirmen, der über Börsen und Broker abgewickelt wird. Wichtig ist aber, die gesamte Prozesskette von der Kraftwerksoptimierung bis zum Kundenportfolio rund um die Uhr am Laufen zu halten. Dabei arbeiten wir eng mit der Produktion, dem Vertrieb und mit zahlreichen Unterstützern wie z.B. der ICT zusammen.

Wie heisst das konkret?

Wir stellen weiterhin sicher, dass unsere Grosskunden aus Gewerbe und Industrie ihren Strom zuverlässig erhalten. Zudem erbringen wir für die Netzbetreiber Systemdienstleistungen als Beitrag dafür, dass das Stromnetz stabil bleibt – und nicht in sich zusammenbricht. Dazu setzen wir unsere eigenen Kraftwerke ein und melden unsere geplanten Produktions- und Absatzmengen. Zudem integrieren wir die dezentral und schwankend anfallende Wind- und Solarenergie ins öffentliche Strom-Versorgungssystem.

Läuft denn zur Zeit der klassische Grosshandel im 24/7-Betrieb weiter?

Ja, und das bei allen Handelseinheiten! Denn auch in Krisenzeiten ist ein kontinuierliches Handelsgeschehen auf den Grosshandelsmärkten wichtig – mit Präsenz von möglichst vielen Gegenparteien. Damit können wir jederzeit nach Bedarf und Markteinschätzung Mengen zu einem guten Preis ein- und verkaufen. Damit unsere Einheit funktionsfähig bleibt, können wir rund um die Uhr – gerade auch im Schichtbetrieb – bei den für bestimmte Geschäfte zuständigen Handelsexperten oder bei den Handels-IT-Spezialisten nachfragen. Die dafür eingerichteten Pikettdienste laufen auch in der Krise normal weiter.

Welches waren die grössten Herausforderungen bei der Umstellung der Handelsabteilung auf die veränderten Bedingungen?

Wir haben schon vor Corona «generalstabsmässige» Übungen basierend auf bestimmten Notfallszenarien durchgeführt. Auf diese Erfahrungen greifen wir jetzt zurück. Aber wir merken nach einigen Wochen, wie schwierig es ist, eine gute Stimmung, die inhaltlich bereichernde Kommunikation und den Austausch untereinander auch im Remote-Working aufrecht zu erhalten. Dies dürfte gerade bei einer Fortdauer der gegenwärtigen Konstellation zu einer echten Herausforderung werden. Alle erbringen hier einen besonderen Einsatz unter erschwerten Bedingungen. Wir haben uns jedenfalls vorgenommen, aufeinander zu achten.

Wie behalten Sie selbst die Übersicht?

Durch ein tägliches Stand-up Meeting von 15 bis maximal 30 Minuten morgens um 8:30 Uhr mit den Managern im Handel und den Leitern der Unterstützungsfunktionen unserer Tagesprozesse (Controlling, Risk, Back-Office). Hier tauschen wir uns über positive Erfahrungen aus dem Remote-Betrieb, über operative Schwierigkeiten, aber auch den Stand der sozialen Kontakte innerhalb der Teams aus. Ausserdem diskutieren wir dort erforderliche Massnahmen, die alle betreffen, zum Beispiel, um auf Ausgangsbeschränkungen vorbereitet zu sein.

Wie geht es weiter?

Als nächstes kommt wohl bei dem einen oder anderen der Lagerkoller. Da hilft erst einmal der Austausch untereinander, die Einhaltung der täglichen Routine und die Arbeit an konkreten Vorhaben, wie zum Beispiel einer Angebotserstellung. Wir überlegen, einen «Swap» zu machen, so dass die Besatzung im Trading-Floor nach Hause wechselt, und ein zweites Team aus der bisher zu Hause arbeitenden Hälfte in den Trading Floor zurückkommt. Der Handel nimmt jetzt auch an einem schweizweiten Hackathon VersusVirus teil, wo in einem virtuellen Entwicklerteam neue Lösungsansätze für die dezentrale Energieversorgung in einem Krisenfall gesucht werden. Aber die Mehrzahl der Mitarbeitenden wird bis auf weiteres von zu Hause arbeiten müssen. Allen an dieser Stelle einen besonderen Dank für ihren fortdauernden Einsatz. Wir versuchen, das Beste draus zu machen.

Volker Lischke, Leiter Geschäftseinheit Handel
Volker Lischke, Leiter Geschäftseinheit Handel