«Nur <es bitzeli öppis mache>, das reicht nicht», sagt Katrin Guthruf, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Gewässerökologie beim Kanton Bern. «Die Quaggamuschel breitet sich extrem rasch in einem neuen Gewässer aus.» Das zeigen auch entsprechende Untersuchungen – etwa im Bielersee: Erstmals entdeckt wurde die ausländische Muschelart dort im Jahr 2019, inzwischen ist sie zur «gewichtigsten» Art geworden. Es wurden schon bis zu 50000 Individuen pro Quadratmeter gezählt.
Im Kanton Bern haben die Wissenschaftler die Muschelart auch in der Aare unterhalb des Bielersees bis zur Mündung in den Rhein festgestellt. Bis jetzt noch nicht nachgewiesen werden konnte die Quaggamuschel im Thuner- und Brienzersee. Ebenso sind die Kleinseen noch nicht betroffen.
Dass die Quaggamuschel weiter Richtung Wohlensee und Berner Oberland verschleppt wird, will man verhindern. Denn: «Es gibt leider keine wirksamen Bekämpfungsmethoden, die grossflächig eingesetzt werden können, sobald sich die Quaggamuschel einmal etabliert hat», sagt Sylvie Flämig vom Ökobüro «m|u|t». Die Expertin berät verschiedene Kantone im Umgang mit der invasiven Tierart.
Bedrohte Tierarten und verstopfte Leitungen
Die Folgen sind für die Tier- und Pflanzenwelt bedrohlich. Wenn sich die Quaggamuscheln ausbreiten, verändern sie die Nahrungskette innerhalb eines Sees. Katrin Guthruf erklärt: «Planktonfresser wie etwa Felchen haben dann weniger Futter zur Verfügung, da die Muscheln schwebende Nahrungspartikel aus dem Wasser filtrieren.» So werden einheimische Arten verdrängt.
Doch nicht nur die Ökologie ist betroffen, die Ausbreitung der Quaggamuscheln bringt auch Behörden und Unternehmen in Schwierigkeiten. Trinkwasserleitungen, die das Seewasser ansaugen, oder Anlagen von Wasserkraftwerken werden durch die Muscheln verstopft. Aufwendige Reinigungen oder gar der Einbau von komplexen Rohrreinigungssystemen sind nötig. Das sind meist kostspielige Verfahren.
Bootsreinigung beim Wasserkraftwerk Aarberg
Doch was kann man gegen die rasante Ausbreitung tun? Die Fachleute sind sich einig: Am effektivsten wäre eigentlich ein Verbot von Bootsverlegungen, um die Quaggamuscheln nicht in andere Gewässer zu verschleppen. Realistischer umsetzbar sind jedoch Bootsreinigungen.
Wie das konkret funktioniert, zeigt sich am Beispiel des BKW Wasserkraftwerks in Aarberg. Boote, die flussaufwärts Richtung Bern unterwegs sind, werden vor dem Werk aus dem Wasser gehoben. «Dann spritzen wir das Boot an Land mit dem Hochdruckreiniger gründlich ab», erklärt BKW Mitarbeiter Peter Stricker das Vorgehen. Ein spezielles Reinigungsmittel wird nicht beigefügt, allerdings ist das Wasser warm. So werden allenfalls noch festsitzende Muscheln an Rumpf und Motor entfernt, denn diese können im neuen Gewässer sofort wieder Larven abgeben. Die am Rumpf klebenden, und fürs blosse Auge nicht sichtbaren Larven werden mit dem Hochdruckreiniger weggespült. Wichtig ist zudem das Ablassen des sogenannten Bilgewassers, weil auch im Bootsinnern noch Larven vorhanden sein können.
Im Idealfall sollte das Boot nach der Reinigung bis zu sieben Tage an Land getrocknet werden, bevor es für die Weiterfahrt oberhalb des Werks wieder eingewassert wird. Katrin Guthruf wertet den Reinigungserfolg mit dem Hochdruckreiniger als sehr gut. Gar nicht effektiv sei es, wenn man sein Boot nur mit einem Schlauch abspritze.
Der BKW Ökofonds finanziert die Reinigung
Die Bootsreinigungsstelle beim Wasserkraftwerk in Aarberg wird vom BKW Ökofonds finanziert. Gestartet wurde im Jahr 2020 mit einem zweijährigen Pilotprojekt, dieses wurde nun bis Ende 2025 verlängert. Thomas Richli, Geschäftsführer des BKW Ökofonds, erinnert sich: «Wir wurden damals von den Berner Behörden angefragt, ob wir uns an einem solchen Projekt beteiligen würden.» So ist die Zusammenarbeit entstanden. «Wir unterstützen mit dem Ökofonds gute Ideen, deren Finanzierung in einer ersten Phase noch nicht gesichert ist.» Richli betont, dass es dabei nicht einzig darum gehe, die technischen Anlagen vor Schäden zu schützen. Sondern: «Da haben wir auch eine ökologische Verantwortung.»
Der Reinigungsservice in Aarberg wird jedoch jährlich nur von einer guten Handvoll Bootsnutzenden in Anspruch genommen. «Zur Reinigung zwingen können wir niemanden», stellt Peter Stricker klar. Und: Die meisten Bootsbesitzer verlegen ihr Boot gar nicht via Aare in einen anderen See, sondern auf dem Anhänger via Strasse. Zahlen dazu gibt es nicht, auch nicht dazu, wie viele von ihnen selbst eine fachgerechte Reinigung vornehmen.
Prävention allein reicht nicht, es braucht klare Regeln
Sind diese Bemühungen also nur ein Tropfen auf den heissen Stein? Für Expertin Sylvie Flämig ist klar: «Prävention ist entscheidend.» Sämtliche Schiffe und jegliches Equipment, das in verschiedenen Gewässern eingesetzt werde, sollte zwischen jedem Gewässerwechsel gereinigt und möglichst getrocknet werden. «Studien haben gezeigt, dass Freizeitschiffe wie Segel- und Motorschiffe in der Schweiz der wichtigste Verbreitungsweg sind.» Viele Kantone haben bereits Informations- und Sensibilisierungskampagnen lanciert. Doch Sylvie Flämig rät: «Die Massnahmen sollten als Pflicht eingeführt werden.» In ein paar Kantonen wurden bereits Regulierungen für Boote umgesetzt.
Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: «Wenn keine Massnahmen ergriffen werden, wird jeder See mit Booten und Einwasserungsstellen irgendwann besiedelt», sagt Katrin Guthruf. «Die geplanten Massnahmen müssen so rasch als möglich, also noch diese Saison, umgesetzt werden. So kann die Ausbreitung vielleicht noch gestoppt werden.»