Im Winterhalbjahr 2016/17 kam die Schweizer Stromversorgung an ihre Grenzen. Aufgrund der (ungeplanten) Ausfälle der Kernkraftwerke Beznau und Leibstadt musste die Schweiz im Winterhalbjahr 10 TWh Strom importieren – dies entspricht ca. 30 Prozent des gesamten Winterverbrauchs. Die Aufsichtsbehörde ElCom erachtet aufgrund der damaligen Erfahrungen den Wert von 10 TWh Nettoimport im Winterhalbjahr als Richtwert, den die Schweiz nicht dauerhaft überschreiten sollte (siehe ElCom: Versorgungssicherheit im Winter).
In den nächsten Jahren werden die Kernkraftwerke sukzessive vom Netz gehen und der Stromverbrauch aufgrund der Dekarbonisierung (siehe BfE: Energieperspektiven 2050+) wieder zunehmen. Energieeffizienzmassnahmen können diesen Anstieg drosseln, aber nicht vollständig kompensieren. Um im Winterhalbjahr nicht mehr als 10 TWh Strom importieren zu müssen, wird bis 2035 eine zusätzliche Winterstromproduktion von mindestens 10 TWh benötigt (Grafik 1).
Zubau insbesondere bei der Photovoltaik möglich
Verschiedene Akteure schlagen vor, diese zusätzlichen Produktionskapazitäten hauptsächlich mit Photovoltaik (PV) zuzubauen (Grafik 2). PV-Anlagen werden oft als Möglichkeit ins Feld geführt, da diese in der Schweiz am einfachsten (Bewilligungen, Akzeptanz etc.) zugebaut werden können und das grösste Potenzial aufweisen. Gleichzeitig haben sie einen grossen Nachteil: Sie produzieren ihre Energie hauptsächlich im Sommer. Damit der Importbedarf jedoch sinkt, muss der Fokus beim Zubau vor allem auf der Winterproduktion liegen.
Alpine Solaranlagen produzieren gleich viel Strom im Winter wie im Sommer
Je nach Standort und Neigungswinkel einer PV-Anlage produziert diese mehr oder weniger Strom zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Alpine PV-Anlagen produzieren über das ganze Jahr gesehen mehr Strom pro Solarzelle als Dach- und Fassadenanlagen (Grafik 3).
Dies liegt unter anderem daran, dass sie rund die Hälfte ihres Stroms im Winterhalbjahr produzieren, das heisst von Oktober bis März (Grafik 4). Alpine PV-Anlagen tragen folglich deutlich mehr zur Versorgungssicherheit bei als Dachanlagen im Flachland, die im Allgemeinen nur rund ein Viertel ihres Stroms im Winter produzieren. Zur Überbrückung kurzfristiger Knappheiten im Frühjahr, wenn die Speicherseen den tiefsten Füllstand erreichen, können auch PV-Dachanlagen einen massgeblichen Beitrag leisten.
Unterschiedliche Kosten von PV-Anlagen
Nicht nur bei der Produktionsmenge, sondern auch bei den Kosten gibt es zwischen den Anlagen grosse Differenzen. Die BKW hat analysiert, wie sich die nicht vom Markt gedeckten Kosten für verschiedene PV-Anlagentypen unterscheiden. Dies sind Kosten, welche sich nicht mit dem Verkauf des Stroms am Markt decken lassen und somit anderweitig getragen werden müssen (Gemeinkosten). Grafik 5 zeigt auf, dass grössere Anlagen, vor allem grosse Freiflächenanlagen, geringere Gemeinkosten aufweisen als kleinere Dach- und Fassadenanlagen.
Dies hat damit zu tun, dass bei kleinen Anlagen Planungs- und Installationskosten im Vergleich zur resultierenden Stromproduktion deutlich höher sind. Bei den grossen alpinen PV-Anlagen führt vor allem das schwer erschliessbare Gelände zu höheren Kosten. Diese werden zum Teil aber durch den höheren Marktwert des Stroms und die höheren Produktionsmengen im Winter kompensiert. Fassadenanlagen sind bei gleicher Grösse teurer als Dachanlagen, erzeugen dafür mehr wertvollen Winterstrom – allerdings bei geringerer Gesamtjahresproduktion.
Für alle Anlagen muss bei entsprechendem Ausbau das Netz verstärkt werden, was ebenfalls Kosten verursacht. Grosse Freiflächenanlagen können dabei an höhere Netzebenen angeschlossen werden, was die Kosten noch weiter reduziert. Eine aktive Steuerung von Lasten und Produktionsanlagen im Verteilnetz könnte möglicherweise in der Zukunft den Netzausbaubedarf reduzieren, aber es sind hierzu noch keine belastbaren Aussagen möglich.
Die Finanzierung von PV-Anlagen
Wieso werden dann heute trotzdem zahlreiche PV-Anlagen auf Dächern gebaut? Dies hat einerseits damit zu tun, dass bis zu 30 Prozent der Investitionskosten durch die Einmalvergütung gedeckt werden – finanziert über den Netzzuschlag. Andererseits sparen die Besitzerinnen und Besitzer der Anlagen durch den Eigenverbrauch im heutigen regulatorischen Rahmen meist in relevantem Umfang Netznutzungsentgelte. Die Netzkosten werden dadurch allerdings nicht in demselben Umfang kleiner. Und auch die zusätzlichen Netzausbaukosten für die Integration von PV-Anlagen werden über die Netznutzungsentgelte auf sämtliche Endverbraucherinnen und Endverbraucher umgelegt. Konsumentinnen und Konsumenten finanzieren somit nicht nur über den Netzzuschlag, sondern auch über die Netznutzungsentgelte den PV-Ausbau mit. Die nicht vom Markt gedeckten Kosten der PV-Anlagen werden folglich zu einem bedeutenden Teil von der gesamten Gesellschaft getragen.
Mit optimiertem Technologiemix lassen sich Milliarden sparen
Würde die Schweiz eine zusätzliche Winterstromproduktion von 10 TWh nur mit den heute üblichen PV-Anlagen (mehrheitlich Dachanlagen) zubauen, fielen zusätzliche Kosten von schätzungsweise 65 Milliarden Franken an, die nicht vom Markt gedeckt werden (Grafik 6). Eine Nutzung des alpinen Potenzials im Umfang von 150 bis 250 Anlagen würde diese Kosten bereits um mehrere Milliarden Franken senken. Zusätzlich könnten Kosten gespart werden, wenn konsequent zunächst das Potenzial (siehe Swisssolar: Detailanalyse Solarpotential Schweiz) der günstigen Grossanlagen genutzt würde, sowohl auf Dächern als auch bei Fassaden. Doch auch in diesem Szenario fallen Gemeinkosten in der Grössenordnung von 52 Milliarden Franken an.
Deutlich günstiger wird es mit einem kostenoptimierten erneuerbaren Technologiemix: Unterstellt man die Realisierung aller Wasserkraftprojekte aus dem vom Bundesrat organisierten Runden Tisch sowie rund 500 Windanlagen, so kommt die BKW auf Gesamtkosten von schätzungsweise 29 Milliarden Franken für 10 TWh Winterstrom.
Fazit: PV-Anlagen können die Versorgungssicherheit erhöhen, aber…
Die Schweiz produziert über das ganze Jahr gesehen mehr Strom, als sie verbraucht. Doch die Versorgungssicherheit basiert nicht auf Jahresmengen, sondern muss jeden Tag, sogar in jeder Sekunde gewährleistet werden. Deshalb fokussiert die Diskussion vor allem auf die Wintermonate, wenn die Schweiz auf den Stromimport angewiesen ist. Gemäss der Analyse der BKW ist es durchaus möglich, die nötigen Winterstromkapazitäten mit PV-Anlagen zuzubauen, aber ein intelligentes Vorgehen kann massgeblich Kosten sparen. Konkret bedeutet dies, auf einen Technologiemix bei den erneuerbaren Energien zu setzen: Dach-, Fassaden- und alpine PV-Anlagen zusammen mit Wasser- und Windkraftwerken.
Damit dieser Zubau gelingen kann, braucht es eine Grundsatzdiskussion zu möglichen Konflikten zwischen Natur- und Landschaftsschutz und dem Nutzen für die Energieversorgung – im Gesamtinteresse der Gesellschaft und Volkswirtschaft. Zusätzlich wird es kurzfristige Absicherungsinstrumente zur Versorgungssicherheit in Form von Speicherwasserreserven und Backup-Kraftwerken für Notsituationen brauchen. Der Bundesrat hat die dazu erforderlichen Schritte bereits in die Wege geleitet.
Schliesslich dürfen wir auch die Einbindung in den EU-Strommarkt nicht vergessen, weil die Schweiz auch mit dem angestrebten Zubau im Winter auf Importe aus den Nachbarstaaten angewiesen bleibt. Ohne geregelte Beziehungen sind diese Importe aber bereits in den nächsten Jahren gefährdet (siehe Blog Die Versorgungssicherheit ist bereits 2025 gefährdet).