Energie- und Umweltpolitik sind zwei Themen, die eng verknüpft sind. Wo steht die Schweiz Anfang 2021 bei diesen Dossiers?

Die Schweiz hat das Pariser Klima­abkommen unterzeichnet, und das Stimmvolk hat 2017 der Energiestrategie 2050 zugestimmt. Gerade das Ja zur Energiestrategie ist ein klares Zeichen: Eine Mehrheit will, dass zurzeit keine neuen Kernkraftwerke entstehen und die erneuer­baren Energien unterstützt werden sollen. Dies sind die Leitplanken für die nächsten Jahre.
 

Nationalrat Matthias Jauslin
Politik hinter Scheiben: Der Energie-Experte Matthias Jauslin an seinem Platz im Nationalratssaal.

Energie- und Umweltpolitik sind zwei Themen, die eng verknüpft sind. Wo steht die Schweiz Anfang 2021 bei diesen Dossiers?

Die Schweiz hat das Pariser Klima­abkommen unterzeichnet, und das Stimmvolk hat 2017 der Energiestrategie 2050 zugestimmt. Gerade das Ja zur Energiestrategie ist ein klares Zeichen: Eine Mehrheit will, dass zurzeit keine neuen Kernkraftwerke entstehen und die erneuer­baren Energien unterstützt werden sollen. Dies sind die Leitplanken für die nächsten Jahre.

Der Bund hat Ende 2020 die Energieperspektiven 2050+ vorgestellt. Ein Ziel: Die Zahl der Wärmepumpen in der Schweiz soll massiv steigen.

2050 sollen in den Gebäuden 1,5 Millionen Wärmepumpen eingebaut sein. Aktuell sind es rund 300'000. Wir sprechen also von einer Verfünffachung. Es stellt sich einfach die Frage, ob es noch zu verantworten ist, mit fossilen Brennstoffen zu heizen. Die Technik bei der Wärmepumpe ist so weit fortgeschritten, dass sie jedes alte Heizsystem ablösen kann.

Welchen Stellenwert hat die Wärmepumpe in der Schweiz? Sind wir mit solchen Massnahmen Pioniere?

Wir stehen im Vergleich sehr gut da. Schweden ist ein Stück weiter. Man kann die verschiedenen Länder aber nicht 1:1 vergleichen. Bei der Wahl der Gebäudetechnik spielt die Geschichte eine entscheidende Rolle: Deutschland ist zum Beispiel ein typisches Gasheizungsland, mit grossen Herstellern solcher Modelle. Schweden heizt seit Jahrzehnten mit Wärmepumpen und Holzheizungen.

Es sollen also innert 30 Jahren 1,2 Millionen Wärmepumpen eingebaut werden. Das bedeutet: 40'000 pro Jahr. Schaffen wir das?

Das ist für die Branche möglich, und natürlich freuen sich die Unternehmen auf die Umsetzung. Aber es ist ein Aufwand und eine Herausforderung. Für die Lieferanten, welche die Geräte entwickeln und produzieren. Aber auch für die Installateure und Bohrfirmen, die genügend Fachkräfte und Know-how bereitstellen müssen.

Das goldene Zeitalter der ­Wärmepumpe also?

(Lacht) Es läuft momentan gut, das stimmt. Wärmepumpen sind begehrt; besonders Luft-Wasser-Modelle sind rasch und problemlos installiert. Die Technik ist bekannt und bewährt.

Die Schweiz hat sich als Ziel gesetzt, per 2050 klimaneutral zu sein. Die Bewegung Klimastreik hat ihrerseits im Januar einen dicken Massnahmenkatalog präsentiert, um dies bis 2030 zu schaffen. Dieser beinhaltet ein Moratorium für Ölheizungen und damit ein noch schnelleres Wärmepumpen-Wachstum. Haben Sie Freude daran?

Ich habe Verständnis für den Elan der Klimajugend. Doch es braucht in einer Demokratie nun mal Mehrheiten. Damit eine Forderung umgesetzt wird, sind mehr als fünfzig Prozent der Stimmen des Parlaments und über die Hälfte des Stimmvolks nötig. Bekanntlich ist im Januar das Referendum zum CO2-Gesetz eingereicht worden. Nun sind wir erst mal gefordert, in der Volksabstimmung im Mai das Volksmehr zu schaffen.

Auf dem Weg zur Klimaneutralität wären mehr Wärmepumpen ein hilfreiches Mittel. Warum glauben Sie daran, dass die Schweiz die ambitionierten Ausbauziele bis 2050 erreichen wird?

Weil die Akzeptanz gross ist. Zudem: Ein Hauseigentümer oder Eigenheimbesitzer hat doch ein Interesse daran, dass seine Investitionen in Immobilien werterhaltend bleiben. Dabei spielt eine zeitgemässe und CO2-reduzierte Wärmeerzeugung eine wichtige Rolle. Das Thema Klimaschutz wird nicht plötzlich verschwinden. Es ist also davon auszugehen, dass fossile Heizsysteme den Wert einer Immobilie schmälert und die Betriebskosten ungleich höher werden. Wer einen Wertverlust vermeiden will, wird sich daher schon heute für eine Wärmepumpe oder ein anderes alternatives System entscheiden.

Dennoch: Eine Absicht mit Horizont 2050 scheint vage zu sein.

Aber es ist eine Absicht, über die es eine Berichterstattung geben wird. Das Thema wird nicht versanden. Ob die Verfünffachung bis 2050 gelingt? Oder bis 2045? Oder 2055? Es geht um die Richtung, und die ist nun klar vorgezeichnet. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir – wie früher schon gesagt – eine Mehrheit der Bevölkerung erreichen und mitnehmen wollen. Es geht darum, dass wir Vertrauen in diesen Weg, in diese Energieperspektiven schaffen. Die punktgenaue Timeline ist sekundär.

Welchen Beitrag kann eine Dienstleisterin wie die BKW an diese Entwicklung beisteuern?

Die Gebäudetechnik ist ja ein Miteinander der Branchen: Bauindustrie, verschiedene Gewerbe und Energieanbieter. Hier ist die BKW mit ihren Energie- sowie auch Gebäudetechnik- und Infrastrukturdienstleistungen prädestiniert. Auf den ersten Blick sind es zwei verschiedene Fragen, ob man eine Wärmepumpe einbaut und welche Art von Strommix man bezieht. Aber betreibt man die Pumpe etwa mit Ökostrom oder über Solarzellen auf dem Dach, ist die Lösung insgesamt noch nachhaltiger. Zudem ist die BKW natürlich weiterhin als Netzbetreiberin gefragt. Ein stabiles, unterbruchfreies Netz ist ein wichtiger Faktor der Gebäudetechnik.

Nationalrat Matthias Jauslin

Der Aargauer Nationalrat Matthias Jauslin (58) ist Mitglied der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK). Im Nationalrat sitzt er seit 2015. Jauslin ist eidgenössisch diplomierter Elektroinstallateur und Geschäftsführer sowie Inhaber der Jost Wohlen AG, die auf Elektroanlagen, Telematik und Automation spezialisiert ist. Weiter präsidiert er die Fachvereinigung Wärmepumpen Schweiz.